Dinge, die man nach einer Weltreise …

… erst mal nicht braucht:

Eingeschränkte Konnektivität

Sand, Staub, Schotter

Wind

Fahrradpannen

Jeden Tag die gleichen Klamotten

exzessiver Ganzkörperjuckreiz  – wegen tagelang keine Dusche

hoffnungslose Handwäsche

Turbulenzen auf der Bristol Stool Scale

Nicht-schließender Reißverschluss im Zelt

Mücken, Ameisen, Pferdebremsen, überhaupt INSEKTEN

Maleteros, Transportkosten

INSTANT-Kaffee und Milchpulver

 

…  im Alltag vermissen wird:

Hilfsbereite Menschen

Almuerzo-Menu  für 1 US-Dollar

Einsame asphaltierte Routen durch schöne Natur

Die schönsten Zeltplätze

Couchsurfing-Gastgeber

Zeit für ein gutes Buch abends im Zelt

Kulturelle Vielfalt

Unerwartete, nette Gespräche und Momente

 

uns hier in den ersten Tagen begeistern:

Ein proppevoller Kleiderschrank

kein Bett machen jeden Tag

unsere Familie

Deutsche sind echt auch sehr nett im Vergleich!

Home, sweet Home!

Glücklicherweise verlassen wir unfallfrei das verkehrschaotische Buenos Aires und sind froh endlich auf dem schnellen Highway Richtung Norden zu düsen. Entlang geht es am Rio Uruguay durch recht langweilige Landschaft – unterbrochen nur durch den ein oder anderen schönen Flussblick. Die Nacht campen wir wild am schönen Flussufer in Colón  (den ein oder anderen Fäkalwitz können wir – also Laura Anm. Toto – uns nicht verkneifen..), der beliebteste Urlaubsort der Porteños (Bewohner von Buenos Aires) nach Mar del Plata. Ganz nett mit dem sandigen Flussufer und dem Urlaubsortflair, aber mehr auch nicht.

Am nächsten Tag biegen wir über das staubige Gauchodorf Mercedes in das Naturschutzgebiet Esteros del Iberá ab – Drei Stunden lang geht es über eine schlechte Schotterpiste bis in das große Sumpfgebiet. Schon auf dem Weg begegnen uns zahlreiche Wasserschweine – die sind so süß! Bei der ersten Begegnung sagt Toto, der offensichtlich SEHR fehlsichtig ist, ungerührt: schau mal, Nilpferde auf der Fahrbahn. Ich: Oh mein Gott, was ist das?? Toto: Oh, ich wollte einen Witz machen, ich dachte das wären Kühe… Kühe?? Das ist der Moment wo ich mir denke, es wäre vielleicht doch besser wenn ich fahren würde…

das erste Wasserschweinpärchen

das erste Wasserschweinpärchen

Stolzieren trifft zu

Stolzieren trifft zu

Der idyllische Campingplatz direkt am See ist super schön. Es gibt einen Wanderweg, auf dem man mit etwas Glück  – wir haben Glück – Brüllaffen (die lautesten Affen der Welt!) beobachten kann und einen Steg, der durchs Schilf führt, wo man einen Einblick in die Artenvielfalt der Vögel hier bekommt. Wir hatten eigentlich mit argentinischen Touristenmassen gerechnet, da der Nationalpark in unserem Führer als Hauptattraktion beschrieben wird, aber die Einheimischen ziehen wohl das Sardinenbüchsenstrandleben in Mar del Plata oder Colón deutlich vor und wir sind mit einer Hand voll Argentiniern und Europäern alleine. In der Nacht kommen nicht nur zahlreiche Wasserschweine zum Grasen, sondern auch 20 cm große Riesenfrösche an Land. Bei all der Faszination wird es uns aber bald bewusst wovon sich letztere ernähren – fluchend mit 1000 Mückenstichen trotz langer Kleidung flüchten wir uns schon um 7 Uhr abends ins Zelt.

20cm!

20cm!

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Sunset in Esteros del Iberá

Sunset in Esteros del Iberá

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Wasserschweinbesuch zur Nacht

Wasserschweinbesuch zur Nacht

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Wasserschwein-Abendschwimmstunde

 

Am nächsten Morgen sind wir mir mit Verena und Daniel aus Zürich verabredet, die wir am Nachmittag vorher kennen gelernt haben, um einen Bootstrip zu machen – die beste Art um die Tiere zu sehen! Es ist wahrlich fantastisch, seht selbst:

Yacaré, das Minikroko - für die Handtasche reicht's

Yacaré, das Minikroko – für die Handtasche reicht’s

mit Jungen (im background)

mit Jungen (im background)

Hirsch mit Reflex also Spiegelung, also super Foto, oder?

Hirsch mit Reflex also Spiegelung, also super Foto, oder?

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Chaja

Chaja

ich muss gleich reiern

ich muss gleich reiern

der Zeltplatz in Iberá

der Zeltplatz in Iberá

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Weiter geht es dann mit dem Auto nach Yapeyú, der Geburtsstätte von San Martín, dem großen Befreier und meistverehrten Volksheld Argentiniens. Der nette Mann im Monument, das San Martíns Geburtshaus vor der Witterung beschützt, erzählt uns alles über den Libertador und seine Familie. Tatsächlich hat er nur die ersten drei Jahre seines Lebens hier verbracht und ist danach nach B.A. gezogen – naja, aber sonst hätte das verschlafene Dorf wohl gar nichts zu bieten. Interessant ist, dass San Martín in Spanien Militärkarriere machte, um dann seine eigenen Ausbilder aus Argentinien zu jagen. Daher musste er sich in der Anfangszeit den Vorwurf gefallen lassen, er sei ein spanischer Spion. Nationalistisch wie die Argentinier sind, steht daneben noch das Monument für die Helden der Malvinas/Falkland-Inseln – ein unvollendeter Torbogen – das „Heim ins Reich“ steht eben noch aus…

wild west Idylle - hier fällt nicht mal ein Sack Reis um

wild west Idylle – hier fällt nicht mal ein Sack Reis um

Hier wurde San Martín geboren

Hier wurde San Martín geboren – dafür müssen seine Eltern jetzt hier in diesem Kaff liegen

alle Action von Yapeyú

alle Action von Yapeyú

Es gibt noch Jesuitenruinen von einer der in der Region zahlreichen „Reduktionen“ – allerdings wäre hier der Begriff „random Steinhaufen“ angebrachter. Zu den Jesuitenreduktionen später mehr… Wir sind zur Zeit der Siesta hier in der Provinz – nicht nur, dass wirklich kein Mensch auf der Straße ist, sondern auch kein Restaurant oder Supermarkt ist geöffnet. Hungrig fahren wir durch die Stadt und werden schließlich doch noch an der Busstation fündig: frittierte Empanadas!  Der Restaurantbesitzer ist super nett. Er ist gerade wieder nach langen Jahren in Buenos Aires in seine Geburtsstadt zurück gezogen – hatte genug von den Überfällen in der Hauptstadt. Wir haben unser eigenes Wasser dabei – sofort bietet er uns Gläser und Eiswürfel an! In Deutschland kann man froh sein, wenn man nicht direkt rausgeworfen wird mit eigenen Getränken… Nach dem Essen macht er uns noch Wasser heiß – für unseren eigenen Kaffee – er habe leider keinen im Angebot, da hier jeder Mate trinkt und sonst gar nichts! Die Szene ist grotesk. In brütender Hitze in der absoluten Pampa, grast draußen ein Pferd und ein verstaubter kleiner Fernseher läuft. Hier zu leben, sagt der dicke Mann am Nachbartisch sei die absolute Ruhe. Daher würden fast alle Ausländer hier bleiben wollen. Wir lächeln freundlich und denken uns: hier leben? Hier gibt es nichts! Wie fürchterlich! Er meint, es sei sogar gerade eine französische Familie am Campingplatz zum Angeln. So spannend ist es hier also, dass das im Dorf jeder weiß. Der argentinische Norden ist endlos weit und kann endlos gähnend sein.

Gestärkt fahren wir noch weiter bis zu einem leider sehr lauten Campingplatz in San Ignacio. Hier ist die Vegetation schon wieder deutlich tropisch-üppiger und statt endloser Ebene hügelt es auf und ab. Es gibt hier auch die am besten erhaltene Jesuitenreduktion von Argentinien, die wir am nächsten Tag besichtigen. Ab 1609 gründeten und leiteten die Jesuiten 150 Jahre lang, bis zu ihrer Ausweisung, zahlreiche dieser kleinen Städte im heutigen Nordargentinien, Südbrasilien und Paraguay. Zu Hochzeiten beschützten sie so ca. 100.000 Guarani Indianer vor brasilianischen Sklavenhändlern und spanischen Kolonialherren.  Geführt wurde jedes Dorf von zwei Jesuitenpadres, die die Indianer missionierten, bildeten und ihnen die Kunst des Ackerbaus näher brachten. Auch Musik und Kunsthandwerk spielten eine zentrale Rolle im Missionierungsprozess – letzteres kann man noch heute an den wunderschön verzierten Kirchen und den erhaltenen Kunstgegenständen sehen. Die Indianer vermischten hierbei ihre eigene Dschungelkultur mit dem von den Jesuiten mitgebrachtem Barock: der Guaraní-Barock  entstand. Außerdem ist der „clash of cultures“ schön an der Musik zu erkennen, denn die Guaraní nutzten die importierte Geige, Gitarre mit ihren eigenen Rhythmen und Intonationen, was ziemlich wild aber eindrucksvoll aus dem Kopfhörer des Museums dringt.

Ruinen der Jesuitenkirche

Ruinen der Jesuitenkirche

San Ignacio Miní Museum

San Ignacio Miní Museum

Dann geht es zum Höhepunkt Argentiniens – den Wasserfällen von Iguazú. In Puerto Iguazú finden wir einen sehr netten Zeltplatz direkt am Rio Paraná, den der Besitzer über Jahre hinweg liebevoll in den Urwald eingearbeitet hat. Leider unterstützt ihn dabei sein Rottweiler, der uns mehrfach aggressiv anfällt und auch in die Beine beißt. Daher und wegen extremer Mückenpopulation entfliehen wir dem Ort so oft es geht, doch auch die Stadt bietet außer halbwegs netten Cafés nur den Charme eines Touristendrehkreuzes. Aus lauter Verzweiflung besuchen wir eine Auffangstation für verletzte Wildtiere – einen Euphemismus dafür, dass dort Tiere – auch jahrelang – hinter Gittern für Touristenkohle gehalten werden ohne erkennbaren biologischen Mehrwert. Die Führung ist frei von Information, total gehetzt und wir sind einfach nur wieder froh, draußen zu sein. Dafür können wir einmal im Leben einen Tukanschnabel aus 1 Meter Entfernung bestaunen!

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Am nächsten Morgen ist es endlich soweit: wir setzen auf die brasilianische Seite über, da sie als die weniger eindrucksvolle gilt. Dennoch werden wir nicht enttäuscht. Das Panorama über die ca. zwei Kilometer langen Kaskaden ist atemberaubend. Es sind viele Touristen da, aber nicht nervig. Nerven tun vor allem die Quakis – eine Art Waschbär/Dachs, der angefüttert von den Touristen ständig rotzfrech um uns streicht. Bei einer Pause lassen wir eine Sekunde die verschlossene Familienpackung Chips neben uns liegen, worauf sich ein besonders mutiges Vieh wie tollwütig darauf stürzt und die Packung total zerfetzt. So richten sich die Teleobjektive der umstehenden Japaner auf uns, wie wir mit Schamesröte im Gesicht die Alutütenreste zwischen sich satt fressenden Quakis aufsammeln. Vorher hatten wir uns noch gefragt, wer denn bitte so dumm ist, diese Biester zu füttern?

Frechdachs

Frechdachs

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auch viel Fauna links des Weges

auch viel Fauna links des Weges

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Fremdie

Fremdie

die schönste Stelle der brasilianischen Seite

die eindrucksvollste Stelle der brasilianischen Seite

Lauri

Lauri

mehrere Plattformen

mehrere Plattformen

blöde Viecher

blöde Viecher

Teufelsschlund

Teufelsschlund

Den Abschluss bietet dann die wesentlich beeindruckendere argentinische Seite, wo man auf Stegen den tosenden Wassermassen deutlich näher kommt. Ein kurzer Rundweg ist zudem idyllisch durch Urwalddickicht geführt immer wieder mit spektakulären Blicken durch das dichte Grün hindurch. Außerdem könnte man hier noch raften, mit Booten direkt unter die Fälle fahren und sich klitschnass machen lassen, kayaken oder sogar mit dem Helikopter über die Fälle fliegen – wir sind aber mit den vielen schönen Wanderwegen genug bedient.  Im Wald und im Wasser sieht man viele Vögel, Schmetterlinge und sogar Affen und Schildkröten – der Nationalpark ist also nicht nur wegen der Wasserfälle ein absolutes Highlight.

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Gewalt der Gischt

Gewalt der Gischt

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haha, Kitsch

haha, Kitsch

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Obacht mim Kanu

Obacht mim Kanu

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einer der schönsten Stellen

einer der schönsten Stellen

Von Iguazú aus stehen noch ein paar kleinere Städte an, die alle nicht extrem spektakulär sind, uns aber durch fürchterlich nette Couchsurfer und authentisch-argentinisches Flair versüßt werden. Nach einer Zeltnacht am idyllischen Rio Paraná südwestlich von Posadas empfängt uns in Corrientes die Medizinstudentin und angehende Neurologin Mariana mit ihrer Familie. Mariana hat Karten für den Karnevalsumzug besorgt, der neben Gualeguyachú als spektakulärster von Argentinien gilt und auch älter ist. Im Gegensatz zu Uruguay ist alles viel mehr Spektakel und Kommerz, aber dafür auch wesentlich pompöser. Für den Umzug wurde extra ein ca. zwei Kilometer (!) langes Corsodromo außerhalb der Stadt gebaut. Hier finden sechs Wochen lang jedes Wochenende die Desfilés statt und zwar von zehn Uhr abends bis sieben Uhr morgens (!!!). Dazu muss man sagen, dass auch zahlreiche Kleinkinder (mit Windel) dabei sind, die wohl extra aufgeweckt werden, um dann von 4:00 – 6:00 Uhr ihren Auftritt hinzulegen. Was in Deutschland eine Empörung hervorrufen würde, ist hier absolut normal. Die kleinen Mädchen vor uns sind ca. vier und fünf Jahre alt und kriegen um drei Uhr morgens kurz Heulkrämpfe vor Müdigkeit – kein Grund für die Eltern nach Hause zu gehen und auch kein Problem, denn nach einer halben Stunde wird mit Schaum und Tanz weitergefeiert.


Überhaupt ist der Umzug die reinste Party. Fliegende Händler sorgen mit eiskaltem Bier für Verpflegung, oder die Leute haben selbst Cola und Fernet dabei – der argentinische Booze schlechthin. Zudem kauft jeder ca. ein Dutzend Dosen „Kunstschnee“ – einer Art Rasierschaum, den man aber bis zu drei Meter weit und sehr gezielt spritzen kann. Wir können schließlich auch nicht widerstehen, zumal die Oma hinter uns sich eine Dose gekauft hat und zu uns rüber schielt. Mit den Dingern spritzt man heimlich oder auch sehr direkt andere Leute an und kringelt sich ob dieses Schabernacks. Sonst grölt man bei den Faschingshits mit, tanzt permanent und ergötzt sich an den schillernden Kostümen und Persönlichkeiten des Umzugs. Die Mitwirkenden müssen die Kleider selbst bezahlen und sparen wohl das gesamte Jahr für neue Federn, die sie im Laufe ihres Lebens anhäufen, bis sie das perfekte Straußenkostüm zusammen haben. Mehr Fotos hier von einem Freund von Mariana.

Es sind ca. zehn Gruppen, die jede eine knappe Stunde vorbeitanzt und die dabei von einer Jury bewertet werden und der Gewinn des Jahres zählt für eine Person aus Corrientes mehr als Fußball-WM oder ein 6er im Lotto! Um fünf Uhr morgens fehlen immer noch zwei lange Züge und wir sind am Ende. So müssen wir uns den zwei kleinen Mädchen vor uns geschlagen geben, die fleißig weiter feiern und fahren zurück.

Mariana, ihre Schwester Belén und ihre liebe Mama zeigen uns am nächsten Tag die schönen Ecken von Corrientes. Besonders in der Stadt ist die Tradition zu Murales, einer Art Wandgemälde, die hier aber hergestellt werden, indem verschiedenfarbige Betonschichten übereinander gegossen werden und dann reliefartig in einer bestimmten Höhe wieder freigelegt werden. Außerdem beeindruckt die gigantische Brücke über den Rio Paraná hinüber nach Resistencia mit wunderschönem Sandstrand darunter – inklusive kostenlosem Liegestuhl- und Schirmverleih durch die Stadt!

mit Mariana und Belén

mit Mariana und Belén

mit Mariana

mit Mariana

Murales

Murales

schnupp schnupp

schnupp schnupp

he, das stört!

he, das stört!

drunken Gauchito

drunken Gauchito

Spezialität von Corrientes: Stockbrot mit Käse

Spezialität von Corrientes: Stockbrot mit Käse

mit der allerliebsten Mama

mit der allerliebsten Mama

Feder- und Karnevalsfachbedarf

Feder- und Karnevalsfachbedarf

Wir genießen die Gespräche mit unseren supernetten Gastgebern sehr, die uns noch köstliche Alfajores schenken und uns sogar helfen den Reifen zu wechseln, als ein Rad total platt ist. Wir versuchen per Kartoffelsalat und Fleischpflanzerln uns mit bayerischer Hausmannskost zu revanchieren…

Belén hat mehr Spaß

Belén hat mehr Spaß

In Santa Fé empfängt uns César – ein Jurastudent – der uns viel über die politischen Probleme in Argentinien berichtet. So gab es wohl 2012 einen mehrtägigen Generalstreik der Polizei, der in Absprache mit Mafiabossen sofort für Plünderungen und Ermordungen auf offener Straße ausgenutzt wurde, um so Tarifforderungen der Polizei zu erzwingen. Außerdem zeichnet er ein eher düsteres Bild der Verstrickungen der politischen Elite und der Wirtschaft. Wir wünschen diesem fantastischen Land so sehr, dass seine netten Menschen endlich frei von Korruption, Vetternwirtschaft und Wirtschaftsmisere die Schätze ihres unendlich großen Landes ernten können. Santa Fé ist ansonsten überschaubar mit einem kleinen kolonialen Kern um ein Franziskanerkloster – dank Karnevalsfeiertagen ist aber alles geschlossen.

Santa Fe

Santa Fe

Der letzte Stopp vor dem Flug ist dann Rosario. Die drittgrößte Stadt Argentiniens ist geschäftig, aber auf eine nette Art und Weise. Entlang des Zentrums sind die ehemaligen Hafenanlagen in eine langgestreckte Uferpromenade umgewandelt worden, die von den Argentiniern zum Mate-Trinken, Flanieren, Sport und als sozialer Treffpunkt genutzt wird. In einem ehemaligen Getreidesilo befindet sich heute das Museum für moderne Kunst. Die andere Hauptsehenswürdigkeit ist das faschistisch-pompöse Monument der Nationalflagge, das sich geradezu grob und hässlich aus der Stadt heraus erhebt. Der Blick von oben über die Insel des Binnendeltas des Rio Paraná und die Stadt ist dafür recht hübsch.

MACRO Rosario

MACRO Rosario

Uferpromenade Rosario

Uferpromenade Rosario

die Tanker fahren mitten durch die Stadt

die Tanker fahren mitten durch die Stadt

Außen hui, hinten Pfui

Außen hui, hinten Pfui

Fußgängerzone Rosario - little BA

Fußgängerzone Rosario – little BA

das Flaggenmonument

das Flaggenmonument

Uferpromenade von Rosario

Uferpromenade von Rosario

In Rosario wohnen wir bei Pablo – einem Musiker, Philosophen und Deutschlandkenner. Er hat in den 90er Jahren seinen ersten Sprachkurs Deutsch gemacht und ist seitdem die Faszination für unser Land und die Sprache nicht mehr losgeworden. Unfassbar wie gewählt und mit welch elaboriertem Wortschatz er spricht. Im Schrank stehen Kant, Nietzsche und andere Heroen der deutschen Philosophie, über die er auch an der Uni Rosario lehrt. Er war auch schon mehrfach in Berlin als Dozent und Musiklehrer. Seine zweite Passion ist nämlich die Gitarre, die er für argentinische Folklore, Tango, aber auch als Barocklaute beherrscht. Seine letzte Tournee durch Spanien, Frankreich und Deutschland fand ebenfalls erst im Januar statt. Seine Sichtweise auf Deutschland ist für uns natürlich hochinteressant. Zusammen mit seiner netten Freundin Anahi – beide haben sich im Deutschkurs kennengelernt und sie spricht daher auch sehr gut – besuchen wir ein leckeres Fischrestaurant und flanieren entlang des Ufers. Hoffentlich dürfen wir die beiden bei ihrem nächsten Besuch in Deutschland empfangen!

Und dann wird es Ernst: wir fahren die letzten Meter nach BA, geben das Auto ab und machen Quartier bei Hugo für die letzte Nacht. Unsere Boxen sind immer noch verschweißt, wir müssen nur den Rucksack packen, Benzinkocher säubern, etc. … Noch einmal genießen wir die Cafés und Geschäfte des hippen Palermo, verschnüren die Koffer und Kisten. Nebenbei fragen wir Hugo, wann wir – wie vorher online abgemacht – morgen zum Flughafen fahren. Mhm… druckst er, er habe vormittags Termine, also mmh… Aha, das wird also nichts!! Schade nur, dass er kein Wort davon vorher gesagt hat und es jetzt neun Uhr abends ist. In Panik suchen wir Nummern von Umzugsunternehmen (Flete) raus, da die normalen Taxis zu klein für die Radboxen sind. Schließlich fällt uns aber ein, dass wir einmal mit einem Großraumtaxi gefahren sind und uns exakt für diese Situation die Nummer hatten geben lassen. Wir rufen also Davis an und: kein Problem – morgens halb neun steht er vor der Tür! Super nett und blendend drauf ist er zudem.

Wir sind so früh am Airport, dass wir die letzten Peso noch bei einem köstlichen Café con leche verprassen können und schauen ein wenig wehmütig, aber auch mit großer Vorfreude auf „dahoam“ und die anstehende berufliche Orientierung auf die startenden und landenden Flieger.

Am Flughafen in Buenos Aires

Am Flughafen in Buenos Aires

In Madrid haben wir neun Stunden Aufenthalt und beschließen die Stadt zu erkunden. Unser Gepäck geht direkt weiter nach MUC – darum müssen wir uns also nicht kümmern. Es ist frostig kalt und auch noch ziemlich dunkel als wir im Zentrum ankommen, so stärken wir uns erst mal bei einem üppigen Frühstücksbuffet mit Kaffee für 4,99 €! Was ist denn hier los? All you can eat für fünf Euro – in Argentinien kostet ein Burger bei McDonald mehr…! Hatten wir Europa falsch in Erinnerung?  Danach schlendern wir durch das wunderschöne Zentrum und kuscheln uns in alle Kleidungsstücke, die wir besitzen. Für den Prado hat es leider nicht gereicht, aber müde und verfroren sind wir sowieso froh wieder zum Flughafen zu kommen.

Brrr!!! Ankunft Madrid

Brrr!!! Ankunft Madrid

In München warten wir noch auf die Koffer, sehen durch die Glastür aber schon die Familie und Susi winken! Was für ein schönes Gefühl mit einem so herzlichen und warmen Empfang anzukommen! Sogar Jochen ist aus Miesbach extra angereist, Susi aus Zürich und Felix kommt sogar das ganze Wochenende mit nach Regensburg! Mama hat eine Flaggenkette mit allen bereisten Ländern im Gepäck. Wir sind sehr froh, wieder zu Hause zu sein nach einem unfassbar schönen Jahr!

Ankunft in MUC

Ankunft in MUC

dahoam

dahoam

wie Weihnachten! So viel frische Kleidung

wie Weihnachten! So viel frische Kleidung

Es ist wohl noch zu früh für eine Bilanz, aber für uns beide steht fest: wir würden es genauso wieder machen!! Wieder per Rad? Ja! Wieder die gleichen Länder? Ja, vielleicht noch Kolumbien statt so viel Zeit in Chile und Argentinien. Wieder zu zweit? Natürlich! Wieder zwei Kulturkreise? Unbedingt, ein Jahr ein Kulturkreis könnte etwas fad werden.

Und was passiert jetzt mit dem Blog? Ja mhm… wir werden ihn wohl im nächsten halben Jahr offline nehmen. Punkt eins, weil doch einige ziemlich private Information und Fotos enthalten sind. Und Punkt zwei, weil die Fahrradfahrer auf der Suche nach Information sowieso neuere Information bevorzugen. So werden wir evtl. noch ein paar organisatorische Dinge, Ausrüstungstipps oder dergleichen posten – sollten wir dazu noch Zeit haben… dann ist aber endgültig Schluss.

Sorry für langweilige Passagen, Verspätungen oder zu viel/wenige Fotos. An alle Freunde, Leser, Interessierten und Mitradler vielen Dank für Euer Interesse, Kommentare und die virtuelle Begleitung!

Mehr Bilder aus Nordargentinien

Zur endgültigen Karte von Südamerika

Mehr Fotos hier vom Karneval in Corrientes

Im Land des ärmsten Präsidenten der Welt

Im Gefrierfach des Schnellbootes setzen wir über nach Colonia in Uruguay – nicht etwa als blinde Passagiere, sondern zusammen mit allen anderen in der auf arktische Temperaturen runtergekühlten Kabine. Zum Glück dauert die Fahrt nur anderthalb Stunden, dann erwartet uns schon die kleine, schmucke Kolonialstadt Colonia del Sacramento.

auf dem Leuchtturm von Colonia

auf dem Leuchtturm von Colonia

Blick über den Río de la Plata

Blick über den Río de la Plata

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kein Mate in der Praxis!

kein Mate in der Praxis!

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Laura hat Halsweh

Laura hat Halsweh

alles andere als rauhes Pflaster

alles andere als rauhes Pflaster

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Das 26.000 Seelendorf ist ein echter Kulturschock nach zehn Tagen in der Metropole Buenos Aires. Alles ist fußläufig zu erreichen und es ist auffällig still ohne den vielen Verkehr. Wir sind ganz froh, dass es außer der winzigen, wunderschönen pflastersteinernen Altstadt nicht viel zu entdecken gibt, da wir um 5 Uhr morgens aufstehen mussten und recht erschöpft sind. So verbringen wir einen gemütlichen Tag, schlendern durch die Gassen und lernen im exzellenten Touristeninformationszentrum viel über das sehr fortschrittliche Uruguay. So bekommt jeder Schüler hier einen Laptop von der Regierung geschenkt. Programmieren ist hier ein Pflichtfach in der Schule – nicht umsonst exportiert Uruguay nicht nur Rindfleisch und Wein, sondern ist auch Südamerikas größter Exporteur von Computerprogrammen – wer hätte das gedacht! Praktisch jede Stadt hat hier ein Zollfreigebiet, dies soll Firmen anlocken hier ihre Ware zum Weitertransport umzuladen ohne in Uruguay noch extra Steuern zahlen zu müssen. Außerdem ist hier die Zentrale von MERCOSUR – einer Art „Europa“ der südamerikanischen Staaten. So sind sie wohl zu einem der reichsten Länder Südamerikas geworden.

Die Zeit vergeht recht schnell bis wir um 19 Uhr von unserer netten Couchsurferin Mariana abgeholt werden. Am Abend bestellen wir typische Uruguayische Kost – frittiertes Fleisch, fettige Pommes und triefendes Spiegelei. So ganz können wir nicht glauben, dass die schlanken Uruguayerinnen sich wirklich davon ernähren – der Verdacht erhärtet sich als unsere Gastgeberin den ganzen Abend an einer einzigen Pommes nagt, während wir uns mit dem hochkalorischen Zeug den Magen vollschlagen – schmeckt aber gut! Mariana erzählt uns vom uruguayischen Präsidenten, der als sehr volksnah und liberal gilt. So spaziere er immer ohne Bodyguards durch die Straßen. Eine Freundin von ihr wollte letztens nach Hause trampen, da hat ein VW Käfer gehalten und sie ist eingestiegen. Erst als sie drin saß ist ihr aufgefallen, dass es der Präsident ist, der selber fährt und sie mitnimmt. Mariana selbst wurde mal die Vorfahrt genommen und als sie gerade das Fenster runterkurbeln wollte und rausschreien wollte, hat sie gemerkt, dass es der Präsident ist. Legende oder nicht – gute Geschichten, die wohl es wohl nur in einem so kleinen Land gibt!

In seinen vier Jahren Amtszeit bis  jetzt  hat er gleich drei revolutionäre Gesetze verabschiedet, die die Konservativen des Landes haben erschauern lassen: Abtreibung legalisiert, gleichgeschlechtliche Ehe ermöglicht und Marihuana legalisiert. Das Ganze vor dem Hintergrund, dass er bereits über 80 Jahre alt ist, nicht schlecht oder? Außerdem spendet er 90% seines 12.000 Dollar Gehaltes an NGOs und andere gemeinnützige Vereine – mit einem Gehalt von 1200 Dollar macht ihn das – angeblich – zum ärmsten Präsidenten der Welt. Er saß übrigens während der Militärdiktaturen mehrere Jahrzehnte in Haft, zwei Jahre angeblich auch in einem Brunnenschacht. Auch wohnt er nicht im pompösen Präsidentenpalast, sondern in einem einfachen Haus außerhalb von Montevideo. Wiederwahl ist in Uruguay nur nach dem Aussetzen einer Amtszeit von 5 Jahren möglich – da wäre er dann über 90, sodass er ein erneutes Kandidieren schon ausgeschlossen hat.

Korrupte Polizisten, wie wir es in Argentinien gehört haben, machen dem kleinen Mann hier aber keine Probleme, meint Mariana. Keine 20 Minuten später kommt ihr Freund und berichtet ganz aufgeregt, dass er gerade von der Polizei angehalten wurde, weil er zu schnell auf dem Motorrad unterwegs war. Tatsächlich wollten Sie ihm aber wohl keine Strafe auferlegen, sondern lieber ein Schmiergeld bekommen. Denn sie haben ihn gefragt, was das Motorrad wert sei und was er beruflich macht und haben immer wieder seine Papiere durchgeblättert und gewartet, dass er sie endlich schmiert. Er hat ihnen erzählt er wäre Klempner (eigentlich ist er aber Ingenieur aber er dachte sich, dass mache sich nicht so gut..). Schlussendlich haben sie ihn dann laufen lassen, da er ja ein „guter einfacher Arbeiter“ sei. Glück gehabt… Am nächsten Tag schlafen wir aus, schlendern nochmal durch die Stadt, besteigen den Leuchtturm und genießen den Sonnenuntergang am Strand.

Am frühen Morgen geht es dann unausgeschlafen weiter zur Hauptstadt Montevideo. Die Straße führt 2,5 Stunden durch satte, aber doch öde Wiesenlandschaft mit endlosen Rinderherden – angeblich kommen auf jeden Uruguayer drei Rinder! Wir sind jedenfalls sehr froh, nicht per Rad unterwegs zu sein!

In Montevideo erwartet uns schon der Warmshowers Host Liber in seinem riesigen Haus mit Dachterrasse – welch Luxus. Und nicht nur, dass wir ein eigenes Zimmer haben, sondern sogar zwei Räder stehen für uns parat – etwas klein und nicht so bequem wie unsere sind sie doch bestens geeignet für die 5km Fahrt in die Innenstadt. Bei einer free walking tour, die sich dem niedrigen Niveau der Stadt anpasst, lernen wir wenigstens zwei nette Deutsche kennen – Tim und Maxim aus Köln und verbringen den Tag und den ersten Karnevalsumzug mit ihnen. Für eine Hauptstadt recht beschaulich liegt die Altstadt auf einer kleinen Halbinsel. Moderne Fußgängerzonen werden von hohen, alten Gebäuden umsäumt. Es gibt viele kostenlose, eher zweitklassige Museen – die schönen Accessoires des Gauchos (Messer, Waffen, Gürtel, Mate-Becher und Pferdegeschirr) im Gauchomuseum sind tatsächlich noch das Schönste. Der Monte, hat übrigens weder den Namen Berg und eigentlich nichtmals die Bezeichnung Hügel verdient – Kaumwahrnehmbareerhebungvideo wäre wohl der passendere Name! Er ist wohl ganze 300 Meter hoch – uh…  Mit 1,5 Mio. Einwohnern (die Hälfte aller Uruguayer) gilt Montevideo als kleine Kopie von Buenos Aires. Das können wir nicht ganz nachvollziehen, wo es in keinster Weise auch nur annähernd so interessant, vielseitig und spannend ist wie auch nur ein einziger Stadtteil von BA.

Allerdings bietet es Spektakel der anderen Art: gleich am ersten Abend haben wir schon Ticket für das Teatro del Verano – das Sommertheater. Hier werden auf einer gigantischen open-air Bühne die traditionellen Karnevalskonzerte abgehalten. Es ist ein Konkurs zwischen konkurrierenden Klamauktruppen um die Gunst des Publikums. Jede Gruppe hat 45 Minuten Zeit und füllt diese mit Sketchen, Gesang, Akrobatik, Kabarett und politischen Possen. Natürlich verstehen wir nicht alles, amüsieren uns aber dennoch köstlich. Der traditionelle Gesang hier ist Murga – ein mehrstimmiger Männergesang mit oft politisch-raffinierten Texten.

Die weiteren Abende sind dann mit „llamadas“ verplant. Das sind die traditionellen Umzüge der Karnevalsvereine der verschiedenen Viertel von Montevideo. In einer sehr engen alten Gasse formieren sie sich zu einem Desfilé, das tatsächlich von acht Uhr abends bis 3 Uhr morgens trommelnd, tanzend und feiernd durch die Stadt fegt. Am ersten Tag haben wir richtig Glück, denn wir sind früh da und kriegen kurz vor Show-Beginn von einem fanatischen Karnevalsfan, der vor seinem Haus Stühle für seine Familie und Freunde aufgebaut hat, kostenlose Stühle angeboten. Es gibt nämlich sonst nur teure offizielle Plätze und so gut wie keine Stehplätze. So erleben wir aus einem Meter Entfernung, wie die mächtigen Trommelgruppen an uns vorbeiziehen und es vibriert das ganze enterische Nervensystem mit! Sehr schön auch wie die Leute hier mitgehen. Wie die Kinder schreien sie Bandeeeraaaaaaa! wenn ein Flaggenträger vorbeigeht, damit der die Flagge so nah an ihnen vorbeischwingt, dass man das Tuch über sich streifen lassen kann. Außerdem tanzen viele jeder Gruppe noch 100 Meter hinterher und feuern die besten Tänzer immer wieder euphorisch an. Sehr nett anzuschauen.

Der Karneval hat sich hier vor allem aus den Traditionen der afrikanischen Sklaven entwickelt, die sich an das koloniale Montevideo anpassen. So gehen jeder Gruppe Mond- und Sternträger voraus – ein Zeichen des Islams, dem viele Sklaven vor ihrer Verschleppung angehörten. Anstatt original schwarzer Haut werden schwarze Leggins getragen, mit weißen Riemen darüber, die die Foltermale der Sklaven symbolisieren. Der Trupp der Trommler trägt die traditionellen Sklaventreiberhüte und geht in kleinen Schritten, um an die Fußfesseln zu erinnern. Die Tänzer teilen sich auf in traditionelle Rollen: dicke afrikanische Mama, einen alten Mann (Mischung aus Medizinmann und Arzt), einen Stabträger und viele Candombe-Tänzerinnen.

Hahn im Korb

Hahn im Korb

Den letzten Abend gehen wir nochmal zusammen mit unserem netten Host Liber zum zweiten Umzug und erleben diesmal auch die hektischen Vorbereitungen um den Umzug herum mit, da wir nach südamerikanischer Tradition zwei Stunden zu spät erscheinen. Nach vier Stunden Schlaf geht es auch schon wieder nach Colonia und von dort mit der Fähre nach BA. Am Zoll angekommen – der bisher in Argentinien noch nie auch nur eine unserer Taschen angeschaut hat – werden wir heute schockiert, als wir all unsere Gemüse-, Obst- und Aufschnittwaren wegschmeißen müssen. Ich will mich widersetzen und mache mich daran alle fünf Äpfel noch schnell zu vertilgen, kriege die aber auf dreiste Weise abgenommen, als ich einen an einen anderen Reisende verschenken will. So müssen wir uns noch eine Stunde mit einem unverschämten Zollbeamten rumärgern…

Naja, wir haben sowieso noch Zeit bis unser Mietauto zur Verfügung steht, denken wir uns. Als wir dort eintreffen dann aber der nächste „kleine downer“. Das Europcar Auto können wir angeblich nur in US-Dollar bezahlen. Wollen wir aber nicht, da wir über den offiziellen Kurs ca. 50% mehr bezahlen müssten. Wie ärgerlich! Wir hatten extra in Bariloche bei einer anderen Familie nachgefragt und uns bestätigen lassen, dass der Preis zwar in US-Dollars angezeigt wird, aber zur guten Wechselrate in Pesos bezahlbar sei. Davon hier keine Rede mehr, die andere Filiale sei eine andere Firma und kenne die Gesetze nicht. Aha … Es ist also Samstag 11:46, alles hat noch 14 Minuten auf – so erhöht sich unsere Herzrate ein wenig, wir telefonieren zwanzig Autoverleihe durch, bis wir schließlich ein gutes Angebot finden, das in Peso bezahlbar ist und erst als wir die Autotüre schließen und der Lärm der Stadt gedämpft durch die Karosserie abnimmt, entspannen wir uns.

Die Fahrt nach Iguazú und in den Norden beginnt – unser letzter Abschnitt der Reise.

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Buenos Aires – das Beste kommt zum Schluss

In Puerto Madryn verbringen wir nach dem Abgeben unseres Leihautos noch einen ruhigen Tag im Café und ich lasse mich bei sommerlicher Hitze noch einmal scheren wie ein patagonisches Schaf. Vorher hatte ich noch gescherzt: undercut mit Iro. Nach dem Friseurbesuch ist der Witz bitterer Ernst geworden und Gott sei Dank sind es noch ein paar Wochen bis zu den Bewerbungsgesprächen! Laura kippt fast vom Stuhl vor Lachen – wenigstens hat eine Spaß daran.

Selfiiiiiiiiiiiiii

Selfiiiiiiiiiiiiii

Dann besteigen wir den letzten Langstreckenbus dieser Reise. Es ist fast schon normal geworden in einem 20-Stunden und 1500km Bus zu sitzen. Deutschland wird uns wohl winzig klein und toll vernetzt vorkommen… Der Ticketverkäufer hatte uns erklärt, dass Dinner dabei sei. Etwas wundern wir uns schon, dass wir „nur“ einen kleinen Keks kriegen, aber wir waren ja sowieso schon den ganzen Tag im Café. In den Bussen werden immer Filme gezeigt – meist Prügel-, Schieß- und Gewaltexzesse. Diesmal haben wir Glück – MI3. Wenigstens etwas Handlung! Als um halb zehn Uhr der letzte Film zu Ende ist und das Licht gedimmt wird, ratzen wir dann auch sofort weg.

Um Mitternacht werden wir davon wach, dass der Bus plötzlich anhält und der Busjunge: Aussteigen, Aussteigen! ruft. Bald wird klar, erst JETZT gibt es Abendessen und zwar in einem Restaurant neben der Straße. Völlig schlaftrunken torkeln wir aus dem Bus. Wir haben keinerlei Hunger oder Muße, jetzt nach Mitternacht hier in einem schäbigen Imbiss etwas zu essen. Aber Aussteigen ist Pflicht und so gähnen wir herzhaft und stehen uns vor dem Lokal die Füße in den Bauch, da anscheinend alle Busse nach Buenos Aires hier halten und alle Tische besetzt sind. Eine dunkle Gegend ist das hier und als ein verzottelter Typ neben Laura mit glasigen Augen hin- und herschwankt, denken wir uns: oh Mann, jetzt auch noch ein Besoffener! Zehn Sekunden später kippt er wie ein gefällter Baum nach hinten um und schlägt mit einem entsetzlichen Krach mit seinem Hinterkopf auf den Betonboden.

10 cm weiter und er hätte ein Auto erwischt und sich sicherlich das Genick gebrochen. Wir sprinten natürlich sofort hin. Nach einigen Sekunden hat er sich wieder berappelt, ist auch wieder orientiert und hat sich erstaunlicherweise nicht beim Sturz verletzt. Allerdings sind beide Lippen total verschwollen und er erzählt uns, dass er seit drei Tagen einen Abszess der Mundhöhle mit Ibuprofen behandelt und wegen seiner Arbeit unbedingt nach Buenos Aires muss. Die Passanten hier sind recht hilfreich, rufen sofort einen Krankenwagen, versuchen zu helfen und anstatt rumzuglotzen gehen sie ins Restaurant. Nach kurzer Zeit kommt dann auch der Krankenwagen und bald der Anruf aus dem Krankenhaus, dass der Patient ein paar Nächte stationär bleibt. Wir fühlen uns schlecht, da wir den Jungen einfach als „Besuffski“ abgestempelt haben anstatt zu fragen, ob alles passt, aber anscheinend ist ja alles noch mal gut gegangen. Vielleicht hat die Pause ihm sogar das Leben gerettet, da er im Bus wegen Meningitis/Sepsis wahrscheinlich einfach so ohnmächtig geworden wäre – ohne dass es jemand gemerkt hätte. Nach 1,5 Stunden und miserablen Nudeln geht die Fahrt dann tatsächlich um 1:45 Uhr morgens weiter…

In Buenos Aires spuckt uns der Bus am gigantischen Retiro Terminal aus, das für seine Taschendiebe und das dahinter beginnende Ghetto bekannt ist. Wir flüchten uns also direkt in ein Taxi und erreichen wohlbehalten das Haus von Hugo – unserem netten Warmshowers-Gastgeber. Es liegt in einer extrem hübschen Gegend mit luxuriösen Villen und ist ein Kunstwerk für sich. Das Wort Messi wäre etwas übertrieben, aber es türmen sich Antiquitäten, Flohmarktartikel, Fundsachen von der Straße und antike Möbel übereinander. So hält sich unser schlechtes Gewissen auch in Grenzen, dass wir hier für knapp einen Monat unsere Räder parken werden. Hugos Zwillingsbruder meint dazu süffisant: nette Sachen ja, aber ein Museum stelle ja auch nicht alle Besitztümer aus.

Am Abend fahren wir mit Hugos Bruder Nestor ins Ghetto-Viertel La Boca, dort steigt ausgerechnet heute ein gigantisches Feuerwerk des chinesischen Künstlers Cai Guo-Qiang, der schon die Eröffnung der olympischen Spiele 2008 in Peking „in die Luft jagte“. Das Motto ist: das Leben ist ein Tango-Schuppen und zu stimmungsvoller Tangomusik malt er mit den modernsten Feuerwerkskünsten traumhafte Formationen in den Nachthimmel – millisekundengenau auf die Musik abgestimmt.

Gleich am nächsten Morgen geht es zum Sonntagsmarkt von San Telmo. San Telmo ist ein hippes Stadtviertel mit langer Geschichte. Heute zieren viele Graffitis und Stencils die Hauswände. Nette Cafés, grüne Plätze und viele Antiquitätenhandlungen sorgen für eine ansprechende Stimmung. Auf der Plaza Dorrego und den umliegenden Sträßchen musizieren lokale Bands. Tango ist Trumpf, aber auch jazzige Fusion; dazu schwingen Tänzer ihr Bein. Ein paar Blocks südlich der Plaza steht so etwas wie das Tacheles in Berlin – ein von Künstlern und Alternativen besetzter Rohbau. Im Deutschland wäre die zugehörige Verpflegung sicherlich vegan, hier aber wehen vom Grill Wurstgeruch und Fleischeslust zu uns herüber. Und während bei uns die meisten Erwachsenen die Nase über solche Leute rümpfen, lassen sich hier auch ältere Semester zum Almuerzo nieder und die Ladies am Grill sehen so aus, als würden sie ihren Aussteiger-Kindern beim Grillen helfen.

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Café in San Telmo

Café in San Telmo

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in San Telmo

in San Telmo

Dann schlendern wir in die eigentliche Innenstadt mit den Regierungsgebäuden und genießen eine der zahlreichen Heladerias der Stadt. Auf Grund der italienischen Exilanten gibt es hier an fast jeder Ecke nicht nur köstliches Eis, sondern auch hausgemachte Pasta und Pizza. Am Nachmittag schließen wir uns einer hervorragenden free walking tour an, die uns über die wechselhafte Geschichte des Landes und ihre Spuren in der Stadt informiert. Die Paläste der einstigen Oligarchenfamilien prägen auch heute noch das Stadtbild. Die damals äußerst fortschrittlich und aufklärerisch denkende Noblesse kopierte oft den französischen Chic und so wähnt man sich oft eher im Maraisviertel als in Südamerika. Im Café Tortoni meint man sich in die belle époque zurückgebeamt und noch weiter im Viertel des einstigen Jesuitenordens.

9 de Julio

9 de Julio

Maru vor dem Kongress

Maru vor dem Kongress

Der Atem vergangener Tage weht durchs Café

Der Atem vergangener Tage weht durchs Café

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die free walking tour vor dem Präsidentenpalast casa rosada

die free walking tour vor dem Präsidentenpalast casa rosada

untypischer "Dom" von Buenos Aires

untypischer „Dom“ von Buenos Aires

Am nächsten Morgen geht es gleich weiter, denn Buenos Aires ist so voller Sehenswürdigkeiten, dass es hier tatsächlich zwei verschiedene Stadtrundgänge gibt. Diesmal starten wir am Teatro Colón, dem bis zur Fertigstellung des Sydney Opera House größten Veranstaltungssaals der Südhalbkugel – leider ist hier aber gerade Sommerpause. Durch die oft erstaunlich grünen Alleen und Plätze geht es vorbei an Botschaften und Palais. Erstaunlich wenig chaotischer Verkehr und viele Grünflächen zeichnen die Stadt aus und sorgen für eine sehr angenehme Atmosphäre. Uns Radlern fallen auch die vielen Radwege positiv auf. Die Tour endet am Friedhof des Viertels Recoleta, wo neben Evita die upper class Argentiniens bestattet ist und für den manch Argentinier seinen Lebtag auf 1m² der Fläche spart.

Teatro Colón - das einst größte Theater der Südhalbkugel (jetzt Sydndey Opera House)

Teatro Colón – das einst größte Theater der Südhalbkugel (jetzt Sydndey Opera House)

anti-englische Parolen allerorten

anti-englische Parolen allerorten

Anschlag auf die Botschaft von Israel '92 sorgt auch heute noch für Schlagzeilen (Nisman)

Anschlag auf die Botschaft von Israel ’92 sorgt auch heute noch für Schlagzeilen (Nisman)

Pariser Flair

Pariser Flair

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Evita, donde estás?

Evita, donde estás?

Cementerio de la Recoleta

Cementerio de la Recoleta

Nachmittags besuchen wir das Kulturzentrum Recoleta und das Museo de Bellas Artes. Hier sind alle staatlichen Museen umsonst – erstaunlich für ein Land, das sich nahe am Bankrott befindet. Zudem gibt es für jeden im Land (also auch Nichtargentinier) kostenlose Bildung, kostenlose medizinische Versorgung, sehr billigen öffentlichen Nahverkehr und kostenloses Internet an vielen Orten – Argentinien ist wirklich erstaunlich!

Inzwischen sind wir zu Franco umgezogen – einem extrem netten Couchsurfer, dessen Eltern gerade im Urlaub sind und wir dadurch profitieren. Er und sein Partner Julian sind fürchterlich nett, kochen hervorragend und wir genießen die Gesellschaft und die Gespräche sehr. Außerdem haben sie zahlreiche Tipps für die nächsten Tage parat und laden uns zu Freunden ein, wir lernen die Familie kennen und erfahren sehr viel über die argentinische Gesellschaft. Wieder einmal begeistert uns die Couchsurfing Erfahrung über alle Maßen!

Im hervorragenden Museo Bicentenario direkt hinter dem Regierungspalast wird die 200-jährige Geschichte ab der argentinischen Unabhängigkeit mit ihren dunklen Flecken der Militärdiktaturen auf sehr moderne Art beleuchtet. Um die Jahrhundertwende reicher als Deutschland wegen der nahezu unbeschränkten Ressourcen, dann durch die Weltwirschaftskrise der 30er gebeutelt, von Militärjuntas und Oligarchen filettiert und schließlich dank zunehmenden Widerstands hin zu einer Demokratie geführt mit dem erneuten Zusammenbruch 2001 und den daraus resultierenden aktuellen Problemen: Inflation im letzten Jahr ca. 30%!

Radkunst

Radkunst

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Berni-Ausstellung MALBA

Berni-Ausstellung MALBA

Danach zieht es uns ins MALBA – Museum für Lateinamerikanische Kunst – in dem gerade eine hervorragende Berni-Ausstellung ist. Viele der Künstler sind wirklich hervorragend, obwohl wir noch nie ihren Namen gehört haben. So wird uns bewusst, wie wenig die Museen Europas – oder wir? – von Künstlern anderer Kontinente wissen und ausstellen.

Tags darauf bringt uns der Bus in die Galerías Pacífico – ein Nobelkaufhaus mit Deckengemälden von Berni und einer – natürlich kostenlosen – Kunstausstellung im Obergeschoss. Vor der Tür decken wir uns wieder mit Pesos durch Dollartausch ein. Während in anderen Städten drei bis fünf Schwarzhändler unterwegs sind, ziehen sich die „Cambio! Cambio!“ Rufe über mindestens einen halben Kilometer!

Wer genug hat von der Großstadt, zieht sich einfach in die Reserva Costanera zurück – ein gigantischer Park direkt am Rio de la Plata mit Sumpf, Schilf, Bäumen und Blicken zurück zu den Glas- und Edelstahltürmen des Luxusviertels Puerto Madero. Der Fluss selbst ist allerdings ordentlich dreckig und wabert eher müffelnd an uns vorbei. Er misst an der breitesten Stelle angeblich 200km und ist somit der breiteste Fluss der Welt. Vom Park schlendern wir noch einmal nach San Telmo und von dort nach La Boca.

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Galeria Pacífico

Galeria Pacífico

mitten im Grünen - die Reserva Costanera ist die grüne Lunge Buenos Aires

mitten im Grünen – die Reserva Costanera ist die grüne Lunge Buenos Aires

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Rio de la Plata

Rio de la Plata

VEB Kranbau Eberswalde

VEB Kranbau Eberswalde

Die Gegend hier ist berüchtigt für Raubüberfälle und da die Gegend immer schäbiger wird, halten wir doch lieber ein Taxi an, das uns in die Touristenmeile „El Caminito“ bringt. Hier haben sich die ersten armen Immigranten niedergelassen und ihre Unterkünfte aus den alten Schiffsteilen, Wellblech und Holz zusammengenagelt. Allerdings sind die farbenfrohen Häuser heute voller Ramschsouvenirs, die Restaurants bieten fürchterliche „Tango-Shows“ und der einstige Charme der Gegend ist so gut wie verloren. Beeindruckend ist das Stadium des Traditionsklubs Boca Juniors, dass sich mitten im Viertel in die engen Gassen drängt und in dem einst Diego A. Maradona kickte.

bunte Häuser

bunte Häuser

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La vida es un tango

La vida es un tango

sehr touristisch und auch gefährlich

sehr touristisch und auch gefährlich

Brücke in La Boca

Brücke in La Boca

Natürlich können wir uns auch das nächtliche Buenos Aires nicht entgehen lassen und so machen wir uns auf zu einer der zahlreichen „Milongas“ – also Tangoschuppen. Einst der Tanz der verarmten Immigranten, den man unter Männern tanzte(!), wird der Tango heute von vielen jungen Leuten als Lifestyle und argentinisches Kulturgut wiederentdeckt. Im Club La Catedral kriegen wir eine kurze Einführung und dann schwingen auch schon zahlreiche Paare ihre Sohlen über das Parkett. Gott sei Dank sind die Lichter gedimmt und das ganze ziemlich locker, denn wir tragen mangels Alternative unsere Trekkingschuhe.

In der Milonga La Catedral

In der Milonga La Catedral

Außer den großen Sehenswürdigkeiten gibt es in BA immer wieder kleine Juwelen eingestreut in ganz normale Viertel – zum Beispiel den Palacio de Aguas Corrientes – in dem – passend – die städtischen Wasserwerke ihren Sitz haben. Oder die Buchhandlung El Ateneo, die, in einem alten Theater untergebracht, sicherlich eine der schönsten der Welt ist. Am Abend fahren wir noch zusammen mit Franco und Julian auf die Feria de Mataderos – einer Art dörflichem Volkfest, das die Gaucho-Kultur feiert in einem westlichen Vorort von Buenos Aires. Wir sind erstaunt wie lebendig die Folklorekultur hier ist: viele Paare tanzen traditionell mit Tuch zu den Rhythmen der Prärie und das angestaubte Museum erweckt den Eindruck im Jahr 1880 stehengeblieben zu sein.

eine der schönsten Buchhandlunen der Welt

eine der schönsten Buchhandlunen der Welt

Buchhandlung El Ateneo - Grand Splendid

Buchhandlung El Ateneo – Grand Splendid

Palacio de Aguas Corrientes

Palacio de Aguas Corrientes

Sitz der Wasserwerke BA

Sitz der Wasserwerke BA

Tango Lernen im Vorbeigehen

Tango Lernen im Vorbeigehen

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Jesuitenkirche

Jesuitenkirche

Es ist schwierig die Faszination dieser Stadt auf den Punkt zu bringen. So lebendig und auch dreckig wie Berlin mit einem ungeheuren Angebot an oft kostenloser Kultur allerhöchsten Niveaus. Zur gleichen Zeit an vielen Stellen so schön und anmutig wie Paris. Mit hippen In-Viertel wie Palermo, die so auch in San Francisco stehen könnten. So leckeres Essen und Eis wie in Rom. Dazu die freundlichen Argentinier, die Spuren der Gaucho-Kultur der umliegenden endlosen Weiten. Der tägliche Kampf gegen die Probleme der eigenen Wirtschaft. Kurz, wir sind absolut begeistert!

Nach über einer Woche hier geht es per Fähre weiter ins Nachbarland Uruguay – nach der Hektik der Großstadt erwartet uns dort die ruhige Kolonialstadt Colonia und der farbenfrohe Karneval von Montevideo…

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Peninsula Valdes

Die endlose Länge von Argentinien haben wir ja schon öfter zu spüren bekommen. Doch auch die Breite ist nicht zu unterschätzen: 15 Stunden fährt man im Bus um in Argentinien von der chilenischen Grenze an die Küste zu kommen. Was für Dimensionen dieses Land hat! Der Bus ist zum Glück einigermaßen bequem, sodass wir (fast) ausgeruht am nächsten Morgen in Puerto Madryn, der Ausgangspunkt zur Besichtigung der Halbinsel Valdes, ankommen. Richtig Glück haben wir dann, dass wir noch ein Auto mieten können, da ein Kunde kurzfristig abgesprungen ist – alle anderen Versuche ein Auto zu mieten, auch schon Tage vorher per Internet, scheiterten. So können wir die Halbsinsel drei Tage flexibler und länger erkunden, als es mit einer teuren Tagestour möglich gewesen wäre.

Die Idee hier herzukommen haben wir von den Holländern L.+G., die wir auf der Lagunenroute getroffen haben und uns ihre fantastischen Wal und Orcafotos gezeigt hatten. Die Walsaison haben wir leider verpasst (bis Mitte Dezember kann mir hier Wale sogar von Land aus beobachten), da es uns zu viel Transportstress war hier extra hinzufahren. Doch hoffen wir auf eine Orcasichtung… die eigentliche Orcasaison fängt erst im Februar an wenn die Seelöwenbabys zu schwimmen beginnen und die Orcas sich immer wieder sogar an Land schwemmen lassen, um sich ein Seelöwenjunges direkt vom Strand zu pflücken. Orca-Glück haben wir im Endeffekt keines, obwohl wir 2 Tage geduldig am Strand warten, aber trotzdem eine fantastische Tierwelt:

Luxusgefährt - ohne Anstrengung zum Ziel!

Luxusgefährt – ohne Anstrengung zum Ziel!

Gürteltier

Gürteltier

wie süß!!!

wie süß!!!

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Seelöwenkolonie am Punta Norte

Seelöwenkolonie an der Punta Norte

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bequem auf dem Laufsteg

bequem auf dem Laufsteg

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frisch geborenes Seelöwenjunge - Möwen kämpfen um die Plazenta

frisch geborenes Seelöwenjunge – Möwen kämpfen um die Plazenta

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Schlange am Wegesrand..es gibt eine giftige, ohne Behandlung tötliche Art und eine ungefährliche, die die giftige fast perfekt nachahmt..wir werden es wohl nie erfahren, welche es war!

Schlange am Wegesrand… es gibt eine giftige (Yarará), ohne Behandlung tödliche Art und eine ungefährliche, die die giftige fast perfekt nachahmt… (Yarará falsa) wir werden es wohl nie erfahren, welche es war!

Guckguck

Guckguck

Magallanpinguine!!!

Magellanpinguine!!!

gut, dass wir uns in Punta Arenas gegen die Exkursion entscheiden haben - hier stehen die Pinguine am Wegesrand!

gut, dass wir uns in Punta Arenas gegen die Exkursion entschieden haben – hier stehen die Pinguine am Wegesrand!

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Seeelephanten

Seeelephanten

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wir können nicht genug kriegen von den Pinguinen und fahren am Abend nochmal hin: Fütterungszeit!

wir können nicht genug kriegen von den Pinguinen und fahren am Abend nochmal hin: Fütterungszeit!

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gierig

gierig

Pinguinpapa erklärt den Ozean

Pinguinpapa erklärt den Ozean

Nandus

Nandus

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wild west

wild west

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Schafsgebiss

Schafsgebiss

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Sonnenaufgang

Sonnenuntergang am nächsten Tag am Strand

Auf gehts nach Buenos Aires!

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Die letzten Radtage..

Von Junin de los Andes führt uns in 2 Tagen die Ruta de los Siete Lagos wieder zurück nach Bariloche, wo wir im November unsere Rundreise im Seenland gestartet hatten. Die Straße ist berühmt für ihre 7 großen und zahlreichen kleinen Seen. Leider wissen das auch andere, besonders die Argentinier schätzen die Region sehr, sodass es mit der im Reiseführer beschriebenden idyllischen und ruhigen Seenlandschaft wohl schon länger vorbei ist:

Gauchito Gil Schrein

Gauchito Gil Schrein

random See

random See

wie die Sardinen Lago Hermoso

wie die Sardinen am Lago Hermoso – echter Geheimtipp!

Sonnenuntergangsstimmung am Lago Hermoso - auf der Suche nach einem Campspot

Sonnenuntergangsstimmung am Lago Hermoso – auf der Suche nach einem Campspot

kein Wildcamp Spot in Sicht..zu viele Menschen

kein Wildcamp Spot in Sicht..zu viele Menschen

Lago Villarino

Lago Villarino

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Abfluss Lago Villarino

Abfluss Lago Villarino

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This the End... beim Rädereinpacken in Bariloche!

19.01.2015: This the End… beim Rädereinpacken an der Post in Bariloche! Nach 353 Tagen im Sattel glücklich am Ziel!

Abfahrt in Bangkok 1.2.2014 - lang,lang ist es her!!!!

Rückblende: Abfahrt in Bangkok 1.2.2014 – lang,lang ist es her!!!!

In Bariloche verschicken wir unsere Räder mit der Post nach Buenos Aires, um unbeschwert mit dem Bus zur Peninsula Valdez und danach nach Buenos Aires zu fahren…

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Schweißtreibender Aufstieg in eisige Höhen – auf dem höchsten Berg Nordpatagoniens!

An der argentinischen Grenze werden wir von einem unfreundlichen Einweiser nicht nur zum Stempeln, sondern auch zum Zoll geschickt. Das mussten wir noch nie. Womit wollen Sie uns denn jetzt schikanieren, fragen wir uns? Wahrscheinlich wollen sie unsere Räder in den Pass eintragen, so ein Mist, dann können wir sie nicht verkaufen. Toto sagt, geh du hin und lächle den Grenzer an und tu so als verstehst du nichts. Gesagt, getan. Hola, sage ich, und setze mein hilflosestes Lächeln auf und lege unsere Pässe auf den Tisch. Aha, deutsch, sagt der Zollbeamte auf deutsch! Der Plan geht wohl nicht auf… Er ist dann sehr freundlich. Sein Großvater sei deutsch gewesen, er fragt wie wir her gekommen sind und sagt wir könnten dann jetzt gehen. Stutzig machen uns aber die Poster, wonach man tatsächlich nicht nur jedes neue, sondern auch gebrauchte Elektrogerät und Möbelstück aus Chile angeben muss, damit der argentinische Staat über prozentuale Einfuhrzölle wieder an Devisen kommt. Vor dem Grenzhäuschen steht eine Mountainbike-Gruppe zur Abfahrt nach Chile bereit. Ob ihnen klar ist, dass sie da eine Tour durch 20km Baustelle gebucht haben ohne Alternativtrail?

Für uns geht es jetzt vorbei ganz nah an der Flanke des Lanins. Das wär schon was, da hochzusteigen, sagt Toto halb im Scherz. Eigentlich wollten wir ja auf den ca. 1500 Meter niedrigeren Vulkan Villarica in Chile, aber bei Preisen von ca. 100 $ pro Person und mit täglich ca. 500 Touristen auf dem Kraterrand war uns das dann doch zu bunt. Wir erkundigen uns am Campingplatz des Nationalparks über den Lanin: Aufstieg bis zum ersten Refugio möglich, danach nur mit Guide. Wir entscheiden uns gegen den überfüllten Campingplatz für 50 Peso p.P. ohne Duschen und campen 5km später wild, idyllisch am Fluss, Bad inklusive. Auch einige Angler tummeln sich noch am Fluss. Ob Angeln hier im Nationalpark erlaubt ist? Angeblich angeln hier alle „catch-and-release“, aber ob man die fangfrische Forelle dann tatsächlich zurückwirft?

Lanin

Lanin

Am nächsten Tag geht es auf einem gemütlichen downhill zur Hauptstraße und dann noch 20km mit Gegenwind bis nach Junin de los Andes, wo wir am frühen Mittag ankommen. Wir checken in einen idyllischen Campingplatz auf einer Flussinsel ein. Toto verbringt den Nachmittag mit seiner Angel im Fluss – doch wieder kein Forellenglück. Junin de los Andes ist eine sehr nette, authentische Kleinstadt, die vor allem für ihre Angelreviere bekannt ist und daher einen eher ruhigen Tourismus anbietet – ganz im Gegensatz zu ihrem großen Nachbarn San Martín, wo es vor Touranbietern, Skiresorts und Events nur so wimmelt. Am Abend gehen wir aus Interesse zum einzigen Ausrüster der Stadt, der auch geführte Touren auf den Lanin anbietet. 3.500 Pesos, rund 270 Dollar p.P. kostet der Spaß, puh! Außerdem hat er gerade keinen Guide, erst wieder in vier Tagen. Aber ihr könnt da auch ohne Probleme ohne Guide hoch, wenn ihr nicht zum ersten Mal einen Rucksack aufhattet und einer von euch schon einmal Steigeisen anhatte, sagt der Ausstatter. Toto gibt zu bedenken, dass er nur als Kind mal über einen flachen Schweitzer Gletscher gestapft ist, sicherlich nicht mit dem Lanin zu vergleichen. Alles kein Problem, sagt der Typ. Etwas skeptisch schauen wir ihn an, ist er auf unsere Organe scharf? Naja, andererseits mit dem Guide würde er viel mehr Geld machen, als wenn er uns jetzt nur die Ausrüstung leiht für 50 Dollar p.P. Wir lassen es uns den Abend durch den Kopf gehen und lassen uns schließlich überzeugen, dass die Laninbesteigung nur „ein Spaziergang“ ist, wie er sagt. Ein Express-Youtube-Kurs vermittelt uns dann am Abend auch noch den gekonnten Umgang mit Steigeisen, Verhalten auf Gletschern und die Technik den freien Fall/Rutsch per Eisaxt zu stoppen. Alles klar also…

wieder beißt nichts

wieder beißt nichts

Am nächsten Tag holen wir die Ausrüstung ab (wir kriegen sogar noch eine Stirnlampe und wasserdichte Überhandschuhe umsonst), lagern unsere Räder in einem Container am Campingplatz ein und nehmen am späten Nachmittag den Bus hoch zum Camping an der Hauptstraße.

Der Aufstieg dauert zwei Tage. Am ersten Tag steigt man entspannte fünf Stunden bis zum ersten oder zweiten Refugio auf, um dann am nächsten Tag den Gipfel zu erklimmen und wieder komplett abzusteigen. Wir erhoffen uns schon am Abend einen Platz im höher gelegenen CAJA Refugio sichern zu können. Das bedeutet eine Zeit- und Kräfteersparniss von einer Stunde für den zweiten Tag. Doch die mäßig sympathische Parkrangerin erklärt uns, es geht danach wer am Aufstiegstag zuerst da ist – Registrierung ist also erst morgen um 8 Uhr möglich. Aha, wir sind doch aber zuerst da?! Weiter weigert sie sich auch schon heute unsere Ausrüstung zu überprüfen – nein, morgen um 8 Uhr morgens. Wenn sie jetzt schon mal einen Blick drauf werfen würde, hätten wir noch Zeit, nochmal zurück zu fahren und ggf. fehlende Ausrüstung zu ergänzen, aber nein… oh man.

Lago Tromen

Lago Tromen

Abends am Lago Tromen

Abends am Lago Tromen

So checken wir am Camping ein, stärken uns mit 500 g Nudeln für die nächsten Tage und machen noch einen abendlichen Spaziergang zum Lago Tromen. Der Lanin leuchtet magisch und drohend zugleich auf der anderen Talseite. Ewig kann ich nicht einschlafen, da der Wind so im Blätterdach heult, dass ich jedesmal wenn ich die Augen schließe uns sehe, wie wir vom Berg geweht werden. Dank Ohropax schlafe ich dann aber doch irgendwann ein. Am nächsten Morgen stehen wir pünktlich um viertel vor 8 vor dem noch geschlossenen Parkbüro. Bis zum Abschluss unsere Registrierung kommt dann auch tatsächlich kein anderer Wanderer! Zum Glück ist ein anderer Parkranger da als gestern, der deutlich netter ist. Er kontrolliert und überprüft Steigeisen, Eisaxt, Helm und Funkgerät. Er schärft uns ein uns zu melden wenn wir am Refugio ankommen und nochmal nach dem Wetter zu fragen. Am nächsten Tag sollen wir ab 3000 Meter Höhe das Funkgerät angeschaltet lassen, damit eventuelle Wanderer über uns uns vor Steinschlag warnen können bzw. wir die unter uns. Außerdem müssen wir uns dann am Gipfel wieder beim Parkbüro melden und wenn wir wieder am Refugio sind. Er warnt, dass es zu dieser Jahreszeit viel anstrengender wäre als sonst zum Gipfel zu kommen, da so wenig Eis und Schnee läge und man sich daher durch viel Geröll und tiefe Lavaasche hocharbeiten müsse.

Langsam und gemächlich beginnen wir den Aufstieg zum 1. Refugio, um uns nicht heute schon zu verausgaben. Der Weg ist erstaunlich gut, man sinkt kaum in der Lavaasche ein. Zwei Stunden machen wir Pause, unterhalten uns mit den argentinischen Tagestouristen und den zwei hier stationierten Soldaten. Sie betreiben ein kostenloses Militärrefugio und füllen unsere Wasserreserven nach – neben einem freundlichen Plausch. Widererwarten sitzen sie hier nicht um den Chilenen möglichst gut im Blick zu haben, sondern tatsächlich um verunglückte Bergsteiger möglichst schnell retten zu können und ab und zu steigt auch eine Gruppe Soldaten zu Trainingszwecken auf den Gipfel. Warum widmet sich die Bundeswehr nicht solchen positiv-sinnvollen Tätigkeiten? Es gibt hier oben sogar einen Hubschrauberlandeplatz. Soll uns das beruhigen oder eher beunruhigen?

beim Aufbruch

noch etwas verkniffen beim Aufbruch

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das Militär- und das Privat-Refugio.

das Militär- und das Privat-Refugio.

Die letzte Stunde zum oberen CAJA (tatsächlich der ANDENverein) Refugio ist dann nochmal anstrengender, da hier die Lavaasche sehr tief ist. Nach drei Schritten nach oben, rutscht man wieder zwei runter. Am Refugio bricht gerade eine Gruppe Argentinier auf, die heute Morgen auf dem Gipfel waren, alles ganz easy, sagen sie und geben uns letzte Tipps zur Wegführung. Das erschöpfte Gesicht der einzigen Frau spricht eine andere Geschichte, aber sie sagt nichts – vermutlich, um uns nicht zu demotivieren.

Wir funken runter und erfahren dass das Wetter für morgen weiterhin super sein soll mit maximalen Windgeschwindigkeiten von 35 km/h, sehr gut also. Außerdem werden am nächsten Tag außer uns noch zwei geführte Gruppen zum Gipfel aufbrechen, die im unteren Refugio bleiben. Das heißt wir haben die Biwak-Schachtel tatsächlich für uns, herrlich! Für 10 Leute soll das Ding ausgelegt sein – das wäre aber auf jeden Fall sehr kuschelig!

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der Blick nach oben

der Blick nach oben

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am CAJA angekommen

am CAJA angekommen

Den Nachmittag nutzen wir um im – zugegebenerweise schon sehr weichen – Schneefeld den Umgang mit Steigeisen und Eisaxt zu erlenen. Ist ganz easy – zum ersten Mal schnalle ich mir etwas unter die Füße, was einem mehr Halt gibt und einen nicht beschleunigt. Wie angenehm im Gegensatz zu ersten Versuchen mit Ski oder Inlinern! Dann erkunde ich noch den Weganfang, damit wir ihn morgen im Dunklen besser finden. Zur optimalen Aufbruchszeit wurden uns unterschiedliche Zeiten von 2 Uhr bis 4 Uhr genannt. Auf jeden Fall muss man vor 12 Uhr mittags den Gipfel verlassen, weil sonst das Eis zu weich wird. Da man ca. 6 Stunden von hier zum Gipfel brauchen soll, die geführten Touren unten um 3 starten und wir keine Lust haben unnötig viel im Dunkeln zu gehen, aber andererseits auch nicht die anderen Gruppen vor uns haben wollen, die Steine lostreten, entscheiden wir uns 4 Uhr anzupeilen. Den späten Nachmittag faulenzen wir lesend in der Sonne, begleitet von dem etwas beunruhigenden Grollen der ständig runterfliegenden, vom schmelzenden Eis freigegebenen Steine. Zum Glück sehen wir aber nur Steinschlag auf der steileren Ost-Flanke, die wir nördlich umgehen werden.

unser Schneefeld zum Üben

unser Schneefeld zum Üben

Der Andenkondor war schon oben

Der Andenkondor war schon oben

Wasserquelle am CAJA Refugium

Wasserquelle am CAJA Refugium

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Eiszapfen

Eiszapfen

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der Berg ruft!

der Berg ruft!

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unser Privat-Refugio. Groß und klein – der Eindruck täuscht, wem welche Matte gehört!

 

Nach einem weiteren halben Kilogramm Nudeln und einem fantastischen Sonnenuntergang, bei welchem man den riesigen Schatten unsers Berges sieht, fallen wir sofort in einen tiefen Schlaf und erwachen mit dem Wecker um 3.30 Uhr tatsächlich recht erholt. Der gefürchtete Wind war ruhig diese Nacht und tatsächlich ist es nicht so eisig wie wir befürchtet hatten. Ein Blick über den Felsrand verrät, dass die Stirnlampenfraktion der beiden geführten Gruppen noch recht weit unten ist und wir noch reichlich Zeit haben zu frühstücken. Außerdem prangt ein unfassbarer Sternenhimmel über uns. Pünktlich als wir fertig sind, fallen dann zwei recht große Gruppen mit ihren guides ein. Besonders nett sind sie nicht, wie das bei geführten Gruppen oft der Fall ist. Einer stampft direkt in „Unser Refugio“ und breitet einen Schlafsack aus, eine Freundin ist müde, sagt er. Na gut, aufgeräumt haben wir jetzt hier nicht, damit muss sie wohl leben und bieten ihr unseren Schlafplatz an, damit sie wenigstens noch eine Isomatte hat.

und... schaffen wir's hoch?

und… schaffen wir’s hoch?

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Lanin-Schatten

Lanin-Schatten

Zähneputzen mit Abendpanorama

Zähneputzen mit Abendpanorama

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Llaima in der Ferne

Llaima in der Ferne

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Abendlicht

Abendlicht

Wir wissen, dass es von hier zwei Optionen gibt um zu starten. Entweder direkt auf Schneefeld oder noch ein bisschen durch Geröll und dann erst in den Schnee. Wir fragen wo sie lang gehen werden: Unser Guide wird uns sagen, wo wir lang gehen sollen. Aha. Na gut. Wir entscheiden uns über das Geröllfeld loszugehen, während die Gruppen sich noch ausruhen. Trotz der Dunkelheit ist der Weg halbwegs gut zu finden und hier unten gibt es auch immer wieder noch den ein oder anderen Wegmarkierungsstab. Auch der Gipfel und die Bergflanke sind gut zu erkennen, so dass wir keine Angst haben uns groß zu verlaufen.

Dann wird es aber auch schon bald ernst und es heißt Steigeisenanziehen, ab aufs Eis. Wir lassen es langsam angehen und gehen in Serpentinen hoch. Das Eis liegt mit vielen Mulden da, sodass man fast wie auf einer Treppe hochsteigen kann. Doch sind dafür oft große Schritte vonnöten, was recht anstrengend ist. Nach einer gefühlten Ewigkeit kommen wir am Ende des Eisfelds an und sehen, dass die erste Gruppe gerade unten losgeht. Für uns geht es nun anstrengend durch tiefen Sand weiter. Immer wieder kommen kleinere Schneefelder von 2-5 Metern für die es sich nicht lohnt die Steigeisen anzuziehen, sodass wir vorsichtig mit normalen Schuhen drüber stapfen. Langsam beginnt der Himmel im Osten rot zu glühen und der Bergrücken zeichnet sich davor zaubervoll ab, fantastisch! Nach ca. einer Stunde beschwerlichen Gehens, sehen wir plötzlich die andere Gruppe die so weit unter uns war, neben uns auftauchen – sie sind immer noch im Schnee. So ein Mist, wenn man sich weiter links gehalten hätte, hätte man wohl bis hier oben bequemer auf Schnee gehen können statt sich durch lockeren Lavaschutt hochzukämpfen. Es zahlt sich wohl doch aus einen ortskundigen Guide zu haben.

Morgendämmerung

Morgendämmerung

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Unser Vulkan raucht doch gar nicht...

Unser Vulkan raucht doch gar nicht…

Nach einem Plateau auf 3000 Meter, an dem wir unser Funkgerät einschalten, beginnt dann ein natürlicher Kanal – wie eine gigantische Halfpipe. Im Winter kann man den wohl bequem in der Mitte auf Schnee durchwandern, doch derzeit sammelt sich hier der ganze Steinschlag. Die Parkranger haben uns angewiesen uns am rechten Rand zu halten, was auch problemlos möglich ist. Hier gibt es auch wieder mehr Markierungen und der Weg ist recht eindeutig zu erkennen. Die andere Gruppe musste jetzt auch vom Schnee runter und ist wieder weit unter uns. Von der zweiten Gruppe keine Spur. Immer steiler geht es hinauf auf wechselndem Untergrund, tiefste Lavaasche, harter Felsen, Schnee und über einen gefrorenen Fluss, der rutschig-gefährlich zu umgehen ist.

Vorsichtig tasten wir uns vor, um keine Steine loszutreten. Der Wind ist ordentlich aufgefrischt und es ist jetzt sau kalt. Wir können es nicht erwarten, dass endlich die Sonne rauskommt. Der Villarica in der Ferne wird schon von den wärmenden Strahlen beleuchtet. Fantastisch wieder der Bergschatten des Lanin über dem dunstigen Land unter uns. Unser Proviant – Riegel und Schokolade – ist gefroren, man kann es kaum beißen. Um eine richtige Pause zu machen ist es zu kalt, selten finden wir mal eine windgeschützte Nische in der wir uns für zwei Minuten ausruhen, bis es zu kalt wird. Kurz vor dem Ende des Kanals kommt in der Mitte der einzige ca. fußballgroße Stein runter, den wir fallen sehen werden – „Piedra, Piedra!!“, rufen wir pflichtbewusst ins Funkgerät. Gracias, knackt es von unten zurück.

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der frühe Wanderer ist als erster am Gipfel

der frühe Wanderer ist als erster am Gipfel

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Villarica glows

Villarica glows

Gipfel in Wolken

Gipfel in Wolken

Endlich ist die Sonne da!!! Leider ist sie noch nicht so intensiv wie wir uns das vorgestellt hatten. Weiter geht es nach oben, immer steiler, die Blicke bei unseren kurzen Pausen sind aber fantastisch. Die Vulkane Villarica, Llaima und zahlreiche weitere Gletscher auf der chilenischen Seite, der riesige Lago Tromen und ganz klein zu unseren Füßen die Refugios und das Nationalparkbüro im Tal. Von der steilen Flanke hier sieht unser steiler Aufstieg vom Camping zu den Refugios von gestern fast flach aus.

Glück (berg)auf

Glück (berg)auf

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optimistisch

optimistisch

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der Eisabbruch

der Eisabbruch

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Lago Tromen

Lago Tromen

Plötzlich sehen wir uns einem senkrechten 10 – 20 Meter hohen Eisabbruch gegenüber. Was nun? Nach einer Ewigkeit finden wir weiter rechts einen passablen Weg um dieses Hinderniss zu überwinden. Die einzige „Kletter“passage mit einigen hüfthohen Hindernissen. Dahinter werden wir von einem Eisfeld mit vielen kleinen spitzen Eistürmchen begrüßt, sodass wir wieder die Steigeisen anziehen. Langsam übermannt mich die Verzweiflung. Was tun wir hier eigentlich? Es ist nicht einzuschätzen, wann endlich dieser Gipfel kommt. Ist das überhaupt der Weg? Stehen wir gleich wieder vor einem Abbruch? Müssen wir alles wieder zurück? Mir ist schlecht! Und wir zum Teufel kommen wir hier eigentlich wieder runter? Ich bin so durch den Wind, dass ich es nicht schaffe meine Steigeisen zuzubinden. Toto unterstützt moralisch und mit zwei gekonnten Knoten. Leise vor mich hinjammernd steige ich das nicht enden wollende Eisfeld hoch. Warum geh ich hier überhaupt hoch? Ich bin so fertig, dass ich mich nichtmals freuen können werde, wenn – falls – ich jemals auf dem Gipfel ankomme.

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Blick zum Refugio ins Tal

Blick zum Refugio ins Tal

Laura unstoppable

Laura unstoppable

Blick ins Tal

Blick ins Tal

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nach dem Abbruch

nach dem Abbruch

sehr steil ab 3500 Metern

sehr steil ab 3500 Metern

wie weit noch???!!

wie weit noch???!!

Ich bin so in meine trüben Gedanken vertieft, dass ich beinah in Toto reinlaufe, der breitgrinsend da steht, den Rucksack abgestellt. Guck mal, der Gipfel! Wow! Ich renne die letzten Meter hoch! Welch Endorphinstoß! We made it!!! Der Gipfel! Wie cooool!!! Hahaha, mir ist nicht mehr schlecht, erschöpft bin ich auch nicht, wie toll – der Gipfel. Leider ist der Wind so stark und kalt, dass wir nur ein paar schnelle Fotos schießen und dann gleich wieder ein paar Meter zu einer Mulde absteigen, wo der Wind erträglicher ist, um dort den Gipfelsieg zu feiern. Da der argentinische Fernet uns nicht schmeckt feiern wir ganz ohne Alkohol. Die chilenische Seite hat sich inzwischen leider zugezogen, dafür liegen auf der argentinischen Seite die Hügel, Seen und Täler in Miniatur unter uns. Der Villarica hüllt sich in eine Wolkenkuppe, dafür ist der Llaima klar und majestätisch in der Ferne zu erkennen. Wie vereinbart, funken wir nach unten, dass wir es tatsächlich geschafft haben, kriegen aber erst beim dritten Mal eine verrauschte Antwort.

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nur Fliegen ist schöner

nur Fliegen ist schöner

Beim Abstieg über das Schneefeld kommt uns die erste Gruppe entgegen und beglückwünscht uns. Sie sind auch nicht mehr ganz frisch, einer rutscht aus und bleibt einfach liegen. Der Guide schaut ihn etwas genervt an und wartet bis er sich endlich wieder aufrichtet. Mit einer Mischung aus Skepsis und Belustigung mustert der Guide unsere Steigeisen. Die Gruppe stapft nur mit Wanderschuhen zum Gipfel. Anscheinend ist es übertrieben hier Steigeisen anzuziehen, naja, ich fühl mich sicherer mit den ins Eis gebohrten Dornen. Schade, dass sie zu spät sind, so bleibt es für uns beim Gipfel-Selfie.

bessere Wegkenntnis, weniger Kondition

bessere Wegkenntnis, weniger Kondition

unsere härtesten Verfolger

unsere härtesten Verfolger

letzter Blick zum Gipfel

letzter Blick zum Gipfel

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Beim Abstieg, haben wir dann etwas Schwierigkeiten den Weg über den Abbruch zu finden. Hier gibt es keinerlei Fahnen oder Markierungen mehr und tatsächlich finden wir diesmal nur einen noch weiteren, noch schlechteren Weg als beim Aufstieg. So müssen wir über steilen Schotter und verlieren ordentlich Zeit. Hier im Nebel herumzuirren wäre wirklich gefährlich, wir haben den Kanal und den richtigen Weg aber bis ins Tal direkt vor unseren Augen. Naja, wenigstens ist es diesmal in der Gewissheit, dass es das letzte Mal ist, dass wir darüber müssen. Bald hören wir auch schon den Funkspruch der anderen Gruppe, sie seien am Gipfel. Außerdem hätten sie noch zwei Gringos, die schon beim Abstieg sind, gesehen….

Zum ersten Mal machen wir nun bei schönstem wärmendem Sonnenschein eine längere Pause und flux steht schon wieder die Gipfelgruppe hinter uns – oh man, die kannten anscheinend den richtigen Weg! Da auch sie Pause machen beginnen wir dann als erste den Abstieg. In der Lavaasche geht das recht gut, man rutscht mehr oder weniger ohne eigens zutun langsam Richtung Tal. Kommt man aber aus dem Rhythmus der richtigen Fußbewegung, fällt man auf den Hintern. Tut nicht weh, nur aus irgendeinem Grund fängt mein Knie, was schon in El Chaltén Probleme gemacht hat, plötzlich dabei an zu schmerzen, obwohl ich da gar nicht drauf falle. So lasse ich es dann sehr langsam angehen. Ganz im Gegensatz zum zweiten guide der ersten Gruppe, der in einer Stein- und Gerölllawine wie beim Tiefschneefahren ins Tal wedelt und uns in einer Viertelstunde bestimmt 400 Höhenmeter zurücklässt.

Nach dem Kanal entscheiden wir uns für den gleichen Weg wie heute Morgen, also nicht schon gleich auf den Schnee zu gehen, wie die andere Gruppe es getan hat, da wir denken, dass das Eis wahrscheinlich schon recht weich ist. Nach einer Stunde Kampf im Geröllfeld kommen wir am Schnee an und sehen wie die andere Gruppe gerade beginnt auf dem Hintern das obere Schneefeld runterzurutschen. Die kennen aber auch alle Tricks!! Und daher kommen also diese geheimnisvollen Schleifspuren! Toto steigt gleich mit ein und rutscht auf der vorgefertigten Spur unseren Teil des Schneefelds runter. Während ich noch etwas skeptisch bin, da wir im Gegensatz zur Gruppe keinen Guide unten stehen haben der uns im Zweifel auffängt. Doch es scheint ganz gut kontrollierbar zu sein, sodass Toto mir für den zweiten Teil seine angeblich dichte Regenhose leiht und auch ich in den Genuss des schnellen Abstiegs komme. Naja, unsere beiden Hintern sind dann unten zwar trotzdem patschnass, aber es hat sich gelohnt! Viel kniefreundlicher und lustiger als hier runterzusteigen… Der Gipfel liegt schon Stunden hinter uns, als tatsächlich dann die letzte Gruppe funkt, sie seien nun oben. Mit uns war also niemand und nach uns ca. zehn Leute heute oben – was für eine Einsamkeit im Vergleich zum Villarica-Rummel!!

abwärts geht es auf dem Hintern

abwärts geht es auf dem Hintern

Laura gibt Gas

Laura gibt Gas

Toto räumt unser Refugio auf und kocht Risotto zum Mittagessen, während ich mich gleich auf den Abstieg zum unteren Militär-Refugio mache. Kurz vor selbigem holt mich Toto, danke seines Speed-Lavaabstieges wieder ein und wir genießen noch eine kurze Risottopause in der hier unten herrschenden Mittagshitze, bevor wir ins Tal eilen, um den einzigen Bus zu erwischen. Also eigentlich eilt nur Toto… ich bin mir sicher, dass wir es auch so schaffen. Toto rennt also und Laura stapft schon ziemlich erschöpft hinterher.

Irgendwann begegnet er einem Parkranger, der ihn fragt woher er kommt und dass er jetzt seinen Registrierungszettel sehen muss. Toto sagt, dass er ja bereits absteige, das schon 1000 Soldaten den Zettel kontrolliert hätten, der außerdem irgendwo tief im Rucksack stecke und ob er es nicht etwas spät fände das nun zu kontrollieren. Das ist ihm alles egal, er muss den jetzt sehen, aha. Toto ist sehr angefressen und hat den Typen schon längst als „Rasterlocke“, der uns vorgestern schon im Bus auf Grund seiner sozial auffälligen Art aufgefallen ist, identifiziert. Mürrisch kramt Toto den Zettel raus und fragt ihn ob er auch zum Gipfel geht oder ob er heute noch absteigt. Dass sei sein erster Tag, erzählt Bubi, er lerne heute nur den Weg kennen zum ersten Refugio und steige dann wieder ab. Oh Mann…

Als er mir wenig später begegnet, sagt er, dein Mann ist da unten. Aha, Toto erzählt fremden Jungs gerne, wir wären verheiratet. Ja, sage ich, sehe ich. Darauf sagt er: versucht bitte zusammen abzusteigen. Du hast schließlich kein Funkgerät. Die Idee ist, dass man mit dem Funkgerät Hilfe holen kann, wenn was passiert. Ich verzichte darauf ihn hinzuweisen, dass jeder Tagestourist in Turnschuhen ohne Funkgerät zum ersten Refugio gehen darf. Der Vortrag dauert einige Minuten und wird durch eine äußerst gewichtige Miene unterstützt. Auf die Frage, was ich denn jetzt machen soll, nachdem Toto da unten ist und ich hier oben bin und ich wohl jetzt wenig an dieser Situation ändern kann, fällt ihm auch auf, dass er vielleicht dem Falschen diesen Vortrag hält. Naja, sagt er, sag ihm, wenn du ihn siehst, dass ich das gesagt hab. Wenig später hören wir von oben einen Funkspruch, „Kuki“ wie er anscheinend heißt, funkt nach unten, dass er oben zwei Guides „enttarnt“ hat, die keine Registrierungszettel haben. Das Parkoffice funkt zurück, Guides haben nie einen Zettel. Kümmer dich nicht um die Zettel, konzentrier dich lieber aufs Müllsammeln! Oh Mann, wir müssen weinen vor lachen! „Kuki“ spielt sich wohl etwas auf an seinem ersten Tag, seine eigentliche Aufgabe ist tatsächlich Müll zu sammeln und nicht kluge Ratschläge zu verteilen. Naja, erheitert steigen wir den Rest ab. Toto sprintet irgendwann wieder auf Grund seiner unbegründeten Buspanik vor und will schon mal Rucksack und Zelt vom Parkranger holen. Dort, 5 Minuten vor mir, angekommen fragt der Parkranger, wo ist Laura? – Die kommt gleich. – Ohne Laura, kein Zelt!

Zerknirscht wartet Toto auf mich und verkündet mir, dass der Parkranger ihm nicht glaubt, dass ich noch lebe. Mit mir bekommen wir schließlich unsere Sachen zurück und warten noch eine halbe Stunde auf den Bus…

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Radferien im Hochsommer

In Puerto Varas hat alles zu am Neujahrsmorgen und die sehr nette Hostelempfangsdame gähnt uns mit so überwältigenden Augenringen an, dass wir fast wieder die Flucht ergreifen. Aber wir schlagen dann doch das Zelt wieder für eine Nacht hier auf, machen unser Gepäck radfertig und genießen die sommerlichen Temperaturen. Wir haben nichts mehr zu essen und es gibt in der ganzen Stadt exakt drei Restaurants, die offen haben. Das erste ist zu teuer, beim zweiten warten wir eine Stunde, bis man uns erklärt, dass unser Gericht aus ist und erst im dritten finden wir endlich etwas zu essen. Sehr seltsam, wo doch sonst die Chilenen so geschäftstüchtig sind, herrscht an Sonn- und Feiertagen absolute Servicewüste.

Am nächsten Tag ist Aufbruch und die ersten Kilometer geht es auf einem single track entlang der Bahnlinie nach Santiago nach Llanquihue. Ein sehr hübscher Weg, zumal man immer wieder fantastische Blicke auf den gegenüberliegenden Schneekonus des Osorno hat, idyllische Flusseinmündungen quert oder die schönen Holzfassaden der Pionierzeit-Anwesen passiert. Nach kurzer Zeit erreichen wir das hochgelobte Frutillar – „Erdbeerhausen“ übersetzt – ein weiteres deutsches Kolonialdorf. Außer Hostels nichts gewesen ist aber unser Fazit, denn der Ort ist zu schnieke und man hat nicht den Eindruck, dass hier außer den Touristen jemand lebt.

Frutillar Mole

Frutillar Mole

Kunstwerk Frutillar

Kunstwerk Frutillar

Hinterland mit Osorno

Hinterland mit Osorno

schöne Pionierbauten

schöne Pionierbauten

Friedhof von Llanquihue

Friedhof von Llanquihue

Nach einer heftigen Gegenwindpassage drehen wir wieder nach Norden ab und erreichen den Lago Rupanco. Ein echtes Juwel und vollkommen untouristisch. Die Straße führt nur an einer Seite über den Auslass des Sees, dessen Fluss sich in tiefblauer Klarheit auf seine kurze Reise zum Pazifik aufmacht. Etliche lokale Angler sind die einzigen, die es hierher verschlagen hat. Wir fragen nach, ob man hier wohl campen könnte und sie bestätigen uns, dass das absolute kein Problem sei. So schlagen wir auf einem kleinen Parkplatz unser Zelt mit Blick über die Volkane Osorno und Casablanca, sowie den unfassbar schönen See auf. Im Abendlicht rudert der einsame Angler zurück in die Bucht und es beißen bekanntlich die besten Fische und so tragen die Angler auch richtig dicke Lachse zurück zu ihren Pick-Ups.

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Wasserqualität

Wasserqualität

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Ankunft am Lago Rupanco

Ankunft am Lago Rupanco

Fischeridylle

Fischeridylle

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Abend am Lago Rupanco

Abend am Lago Rupanco

Die weitere Fahrt zum Lago Ranco ist etwas eintönig durch Fleckvieh bestandenes Hügelland, Wälder und öfter auch ziemlich steil durch Schotter. Laura meint grummelig, da könne sie genauso gut durch NRW radeln. Mit meinen Gedanken eher bei der ersten Nachtschicht im Krankenhaus bellt mich plötzlich unerwartet ein Kläffer an und springt an meinem Rad hoch. Unsere Hundeangst und –respekt hatten sich eigentlich komplett gelegt, aber diesmal bin ich überhaupt nicht vorbereitet und ziehe die Vorderbremse so energisch, dass das Vorderrad auf dem Schotter wegrutscht und ich auf die Straße knalle. Fast wie zum Hohn fragt mich zehn Minuten später ein Jeep, ob ich einsteigen will und hinten hängt schon ein Tourenrad am Ständer. Ein Platz sei noch frei … Mhm, verlockend, aber Laura ist direkt hinter mir und fände das sicher nicht so lustig, wenn ich jetzt kneifen würde. Über die Kratzer am linken Arm und einer schmerzhaften Hüftprellung tröstet der wundervolle Campspot in Lago Ranco hinweg. Direkt hinter dem Strand, der voll von Schirmen, Liegen und Menschenmassen aussieht wie Mallorca, führt ein kleiner Weg zu traumhaften Wiesen unter Bäumen. Wir genießen das erste Bad im erstaunlich warmen See und kochen im Abendlicht vollkommen einsam.

Hinterland des Seengebiets

Hinterland des Seengebiets

idyllischer Campspot am Lago Ranco

idyllischer Campspot am Lago Ranco

Am nächsten Morgen hält uns ein „Hellooooo!“ vom Aufbruch ab. Mike, ein sehr freundlicher Ami ist der klügere Radler, der sich gestern hatte im Jeep mitnehmen lassen und auch auf dem Weg nach Norden. Er ist für einen 2-Monatstrip durch das Seengebiet und einen Teil der Carretera Austral aus Connecticut eingeflogen und will über das Westufer nach Futrono kommen. So trennen sich unsere Wege nach netten Worten und seiner freundlichen Hilfe, endlich meinen immer tiefer rutschenden Sattel zu stoppen. Die Umrundung des Lago Ranco, die unser Fahrradführer in höchsten Tönen beschreibt, wird dann aber zur Tortur. Denn außer steilst auf- und absteigender schlechter Schotterstraße mit ab und zu Blick über die Wasserfläche, fasziniert uns wenig. Zudem nerven auch noch hummelgroße Bremsen, die uns in Dutzenden (!!!) umfliegen und bei der kürzesten Fotopause anfangen, sich auf jedem Körperteil niederzulassen, das nicht in ständiger Bewegung ist. Lauras stoische Gelassenheit ist bewundernswert, aber ich tanze wie ein Derwisch umher und erlege bei einer längeren Kekspause fast zwanzig dieser Biester – natürlich umfliegen uns immer noch mehrere …

Junge, nerven diese Bremsen!!!

Junge, nerven diese Bremsen!!!

Lago Ranco Südseite

Lago Ranco Südseite

Einmal glauben wir uns zurück in Vietnam, als es mit gut 30% senkrecht den Berg hochgeht und das bei inzwischen fast 30°C in der Mittagssonne! Dann endlich erreichen wir Llifen, der Asphalt beginnt und es wird flacher. Wir hatten uns hier eine Variante über eine kleine Forststraße über Puerto Fuy nach Argentinien überlegt, aber die kennt hier niemand in der Stadt. Stellt sich heraus, dass sich die kleineren Straßen hier wohl jede Saison ändern und diese schon seit einer Ewigkeit nicht mehr existiert. Früher ging das, sagt uns noch einer und auch die Polizei, die wir von ihrer Geschwindigkeitskontrolle abhalten, bestätigt uns, dass wir dort nur noch Erdrutsche und Urwald anfinden würden. So sind wir ziemlich frustriert, denn wir sitzen am Ostufer fest und müssen die ganze Strecke wieder zurück – Gott sei Dank aber auf dem asphaltierten und flacheren Nordufer des Sees. Auch in Futrono finden wir einen schönen Platz zum Zelten direkt am See. Es gibt einen kleinen Weg zu einem moorigen Ufer und wir legen mal den Eigentumsbegriff etwas großzügiger aus und machen uns nach einem Radler zum Stärken des Mutes und bei Einbruch der Dunkelheit auf der angrenzenden Wiese eines Hotels breit.

psssst! illegaler Campspot

psssst! illegaler Campspot

Hafen von Futrono

Hafen von Futrono

So haben wir auch keine Probleme pünktlich aufzustehen, denn um 6:30 kommt der Sicherheitsmann und bittet uns höflich, bis 9:00 Uhr verschwunden zu sein – ziemlich großzügig und freundlich! Wir treten ordentlich in die Pedale, denn wir wissen heute erwartet uns ein wieder eher langweiliges Teilstück bis Panguipulli. Nach gut zwanzig Kilometern quält uns aber der Hunger und wir pausieren für Käsebrot und Cola. Kaum sind wir wieder auf der Straße: „Hellooooo!“. Mike hat uns eingeholt und so legen wir die lange Reststrecke nach Panguipulli gemeinsam im Schongang und quatschend zurück.                 Wir finden einen ruhigen Campingplatz im dichten Wald und genießen zu dritt das luxuriöseste Abendessen seit langer Zeit. Lachs in Sesamkruste – sogar mit Fischmesser serviert! Leider ist das nouvelle cuisine Zeug sofort verschwunden und wir müssen unseren Radlermagen noch mit Empanadas und Gummibärchen stopfen.

das einzige was uns aufhält sind 2000 Kühe und deren Hinterlassenschaften

das einzige was uns aufhält sind 2000 Kühe und deren Hinterlassenschaften

mit Mike unterwegs

mit Mike unterwegs

schöne Strecke hinter Panguipulli

schöne Strecke hinter Panguipulli

In Panguipulli kriege ich tatsächlich auch meinen Sattel durch eine neue Sattelstange repariert und versuche noch Dollars zu ertauschen, was auf Grund des lächerlich schlechten Kurses jedoch auf Villarica verschoben werden muss. So radeln wir entlang des sehr hübschen Sees, über den sich immer wieder gute Blicke bieten. Eine kleine, teils unasphaltierte Straße bringt uns – wieder sehr hügelig – zum Lago Calafaquen. Der Moment, an dem sich der wunderschöne Mount Villarica hinter einer Kurve zum ersten Mal zeigt ist genial. Und auch sonst ist die Strecke wesentlich schöner, verkehrsärmer und unterhaltsamer als die Tage zuvor. So schließt auch Laura wieder ihren Frieden mit dem Seengebiet, obwohl uns heute wieder die Bremsen nerven, die tags zuvor untergetaucht waren. Witzig mit anzusehen, dass Mike sich durch die Biester noch viel mehr reizen lässt als ich.

zum ersten Mal Villarica

zum ersten Mal Villarica

Seenrunde at its best

Seenrunde at its best

der Villarica von der südlichen Flanke

der Villarica von der südlichen Flanke

In Coñaripe wollen wir uns eigentlich nur mit Brot eindecken, aber als wir die Bäckerei betreten trifft uns der Schlag. Bestimmt 50 verschiedene Torten und Kuchen leuchten aus den Vitrinen und wer könnte bei Himbeer-Käsekuchen, Rosinen-Rum-Stückchen oder Erdbeer-Sahne wiederstehen? Zumal wenn der Blutzucker im Keller ist… Das sind definitiv absolute Vorzüge der Seenrunde, dass man durch so ein gut entwickeltes und touristisches Gebiet fährt, dass man sich fast im Stundentakt mit derlei Spezereien eindecken kann! Überhaupt die Spezereien. Hunderte Privatleute entlang der Straße verkaufen in ihrer Einfahrt Marmeladen, Backwaren, usw. So erstehen wir mehrfach Himbeeren (2Euro für 1,5kg!) und köstlichsten Räucherlachs. Dazu kommen Thermen, klare Bäche und sonnige Wiesen entlang der Strecke – es ist wirklich ein Urlaubsgebiet und extrem erholsames Radeln verglichen mit den harten Tagen in Peru und Bolivien! Ein Ananaseis stärkt uns für den Schlussanstieg nach Villarica, wo – nun wieder auf der Hauptstraße – uns leider etwas stärkerer Verkehr erwartet.

Villarica ist ein hübsch gelegener Badeort mit schwarzen Stränden aus Lavaasche. Der Campingplatz liegt direkt am Strand und bietet Blick über die Vulkane Villarica und Llaima im Norden. Hier springen wir zur Abkühlung nach dem Radeln mit Mike in die Fluten, allerdings ist der See ganz schön frisch und wir sind schnell wieder am Strand im Trockenen. Da wir zum letzten Mal in Chile sind und die Grenze immer näher kommt, müssen wir uns am nächsten Tag mit Dollar versorgen und stopfen uns auch noch ordentlich die Taschen mit argentinischen Peso voll, die hier tatsächlich zu einem deutlich besseren Schwarzmarktkurs als in Argentinien zu haben sind – wohl weil die Chilenen sie so schnell wie möglich loswerden wollen.

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Blick von Villarica zum Vulkan Llaima

Blick von Villarica zum Vulkan Llaima

schon in Pucon

schon in Pucon

Mike ist schon früher fertig als wir und wir verabschieden uns daher, denn er fährt schon nach Pucon vor. Wir folgen am Nachmittag nach und hätten die Straße wohl lieber vermieden, denn Jeeps, Busse und PKWs rauschen im Zentimeterabstand an uns vorbei. Zudem ist der Asphalt mit Schlaglöchern und Scherben übersät. Oh Mann, sicherlich der fürchterlichste Abschnitt seit langem! In Pucon gibt es einen idyllischen Campingplatz, der in einem Waldstück angelegt ist und durch den sich ein glasklarer Bachlauf schlängelt. Die Innenstadt ist touristisch und typisch Badeort, aber dennoch ganz nett. Wir finden das leckerste Eis der Reise und nette amerikanische Camp-Nachbarn mit zwei Winzlingen, die uns reichlich übriggebliebenes Essen schenken. „Mamiii, he said his name was Toutooouuu“, sagt die kleine Coco.

Weil es hier so schön ist, beschließen wir noch einen Ruhetag einzulegen, bevor es wieder nach Argentinien geht. Die Stadt gilt als Adrenalin-Mekka. Canyoning, Rafting, Volkan-Climbing, Horseback-Riding, Paragliding, Jet-Skiing, Mountainbiking, und sonstige “–ings” sind hier der Renner. Allerdings ist uns einfach nur nach Stadtbummel, Lesen, Faulenzen und Ruhetag. Mike treffen wir wieder in der Stadt, der heute auf den Vulkan Villarica steigt und dafür einen fantastisch-wolkenlosen Tag erwischt hat.

Pucon Beach - mit Eisbecher!

Pucon Beach – mit Eisbecher!

rauchender Villarica

rauchender Villarica

Hafen von Pucon

Hafen von Pucon

Wir brechen am nächsten Tag frisch erholt Richtung Argentinien auf. Auf der Strecke reihen sich Rennmaschinen aneinander, denn drei Tage darauf findet hier der Halb-Ironman von Chile statt und die Athleten machen die letzten Trainingseinheiten mit Traumblick über den Vulkan. Ich hänge mich 5km an eine Rennradlerin, muss dann aber mit Blutgeschmack im Mund abreißen lassen, ich schiebe es mal auf 30kg Gepäck und Tourenrad. Dann zweigt die Strecke ab und es wird einsamer und schöner, denn der mächtige Vulkan Lanin (~3800 Meter) erhebt sich vor uns. Leider sind die letzten knapp 20km dann geschottert, sehr steil und von zahlreichen Baufahrzeugen gefahren, so dass wir uns nochmal richtig quälen müssen. Oben an der Lagune mit Lanin-Blick und Araucarienbewuchs ist es dann aber wieder traumhaft.

 

Araucarien vor Vulkan Lanin

Araucarien vor Vulkan Lanin

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von wegen abgenommen

 

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So geht unsere Zeit in Chile zum letzten Mal zu Ende. Insgesamt ist es das letzte Mal Grenze für uns – ein seltsames Gefühl. Für ein Fazit braucht man ja immer etwas mehr Abstand, aber wir hatten uns insgesamt sicherlich mehr erwartet von diesem Land, das von außen so gehypt wird. Uns erwartet der alte Bekannte Argentinien, die letzten Radtage und überhaupt die letzten Wochen. Die Ungeduld steigt, die Vorfreude wächst und in ca. fünf Wochen wird unsere Reise ihr Ende finden.

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We’re dreamin‘ of a waaaaarm Christmas!

Völlig gerädert erwachen wir am nächsten Morgen und zahlen einen hohen Preis für die letzte Tagesetappe. Lauras Füße haben kaum noch gesunde Haut zu bieten – nachträglich erklärt mir das ihre kläglich-heroische Gangart auf den letzten Kilometern. Unerklärlich allerdings wie sie das ohne Gejammer durchgestanden hat! Dennoch wollen wir unbedingt weiter in Richtung Argentinien und nehmen noch am Nachmittag den Bus nach El Calafate. Es ist so nervig, dass wir bei jedem Grenzübertritt neu aus- und einstempeln müssen und dadurch eine Stunde verlieren. Warum kriegen Chile und Argentinien denn kein multiple-entry Visum zustande, zumal man ja das ständige Kreuzen auch nicht vermeiden kann?! Wenigstens erheitert uns das argentinische Lippenbekenntnis zu den Schafsinseln, die sie selbst „Malvinas“ nennen – besser bekannt als Falklandinseln.

FSK 18

FSK 18

2014-12-22 19.22.12

Falkland und WM-Verlust. Doppeldemütigung der armen Argentinier! auch heute noch steht dieses Schild an fast jeder Grenze und vor den Kasernen

 

In Calafate kommen wir spät nachts an und beziehen im Dunkeln den von anderen Touristen empfohlenen Camping „El Ovejero“. Warum diesen Ort jemand empfiehlt bleibt fraglich. Direkt zwischen zwei lauten Hauptstraßen eingekeilt, bietet er nichts außer sauberen Klos und ist – mal wieder – vollkommen überteuert, von den unfreundlichen Besitzern ganz zu schweigen. Die Stadt selbst ist auch nichts Besonderes – Outdoor-Ausstatter, Restaurants und Reiseagentur reiht sich an Reiseagentur. Das Geschäft halten Transfers nach Chile und El Chaltén, sowie der Perito Moreno Gletscher am Laufen, der 80 Kilometer westlich der Stadt liegt. Den können wir uns natürlich auch nicht entgehen lassen, obwohl wir gute Lust darauf hätten wegen dem ganzen Nepp.

Tatsächlich ist eine geführte Tour nicht teurer als der offizielle Bus und so werden wir am nächsten Morgen gemütlich vom Camping abgeholt und hocken uns zu den anderen Touris in den Minibus. Wir befürchten das Schlimmste, aber tatsächlich ist es sehr nett. Nur bei den Fotopausen fühlt man sich wie das dümmste Schaf einer patagonischen Herde. Die euphorisch-fröhliche Führerin strahlt von einem Ohr zum anderen bei jedem Witz, denn sie täglich abspulen muss – das Ganze noch auf Englisch und Spanisch im 5-Minutenabstand! So kommt uns die Fahrerei sehr kurz vor und nach einer Kurve bietet sich der erste Blick über den Gletscher. Wir sind ziemlich enttäuscht, denn größer als der Grey-Gletscher sieht das nicht aus. Aber wir haben uns gründlich getäuscht, denn wir sind noch 7 (!) Kilometer entfernt.

der erste Eindruck - aus 7km!

der erste Eindruck – aus 7km!

etwas touristischer Fotostop

etwas touristischer Fotostop

Kurz darauf werden wir an den Treppenkonstruktionen raus gelassen und haben vier Stunden, um die in verschiedenen Farben markierten Rundwege abzulaufen. Unsere Führerin warnt uns: „Jeden Schritt runter, müsst ihr nachher wieder hochlaufen!“ Achso … Das Besondere an dem Gletscher ist, dass er sich aus einem recht steilen Tal kommend zwei Meter täglich vorschiebt und die vorderste Front im Minutenabstand unter gruseligem Krachen und unglaublich lautem Getöse in den anliegenden Lago Argentino stürzt. Hört man das Krachen ist es aber schon zu spät zu gucken, denn man ist ca. 500 Meter von der Gletscherfront entfernt und sieht dann nur noch die gigantischen Wasserfontänen in die Höhe schießen.

Die Eisfront ist ca. 60 Meter hoch und über fünf Kilometer lang – unfassbare Ausmaße. Die vorderste Zunge schiebt sich auf die Magellan-Halbinsel vor und so kam es, dass schon mehrfach der Gletscher die Verbindung der zwei Seeabschnitte unterbrach, bis sich die um elf Meter angetürmten Wassermassen der einen Seite einen Weg durch den Gletscherdamm brachen. Es muss unfassbar sein, dieses Spektakel mitzuerleben – Youtube bietet sicher nur eine blasse Vorstellung davon.

Wir kriegen nicht genug die skurrilen Eisformationen aus immer neuen Blickwinkeln zu betrachten. Leider finden die größeren Abbrüche immer statt, wenn wir gerade einen kurzen Abschnitt durch den dichten Wald laufen. Dann plötzlich bricht ein Einfamilienhaus-großes Stück ab als wir uns direkt gegenüber befinden und verschwindet unter schaurigem Gegurgel in den eisigen Wassern. Fantastisch! Leider geht es zu schnell, um die Kamera rauszuholen. Es weht uns ein eisiger Wind um die Ohren und immer wieder nieselt es, doch inzwischen ertragen wir das hiesige Wetter selbst in Flip-Flops (zur Blasenschonung) bestens.

der erste Eindruck - aus 7km!

der erste Eindruck – aus 7km!

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wohl die einzige Flipfloptouristin bei 5°C

wohl die einzige Flipfloptouristin bei 5°C

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Kaum zu fassen, dass wir vier Stunden einfach nur dieses Eis angestarrt haben, aber es ist tatsächlich schon an der Zeit und wir wärmen uns noch kurz in der Cafeteria, bevor es auch schon wieder zurück nach Calafate geht. Wir lassen uns auf dem Rückweg am Glaciarium rausschmeißen – einem hypermodernen Museum über die wissenschaftliche Erforschung des Eises mit eindrucksvoller Tiefe der Materie und auch über die menschliche Annäherung an diese lebensfeindliche Umgebung und die Expeditionen zu Nord-, Südpol und über die patagonischen Eisfelder. Wie im Weinmuseum in Cafayate waren auch hier modernste Museumspädagogen zu Werke und zahlreiche Multimedia-Installationen und phänomenale Luftaufnahmen rauben uns den Atem. Auf den Wodka aus einem Becher aus Eis in der hauseigenen Eisbar für 12 Dollar verzichten wir aber dankend.

Dann geht es weiter nach El Chaltén – das Trekkingmekka Argentiniens. Bei Ankunft finden uns in einem 1000-Seelenörtchen wieder. Eigentlich gibt es außer Hostels und Outfittern hier nichts, dennoch ist der Ort familiär-nett und sehr hübsch gelegen mit dem über dem Dorf wachenden Mount Fitz Roy. Wir finden ein nettes Hostel mit großer Küche und vielen jungen Leuten, die alle zum Klettern und Wandern hier sind – einige wohl auch hängengeblieben wie die langen Rastazöpfe zeigen. Einige Zelte stehen auch für einen Daueraufenthalt auf Holzpaletten gegen den Schlamm und sind vollkommen zugewuchert. Hier verbringen wir auch die Weihnachtstage, für die wir uns in letzter Sekunde noch in El Calafate eingedeckt hatten. Das Kaffeetrinken am Heiligabend mit Plätzchen in der Hüttenatmosphäre unseres Aufenthaltsraums ist dann der erste Moment, an dem doch die Sehnsucht nach dem trauten Heim für Weihnachten uns etwas übermannt. Barbecue statt Gans ist auf der Südhalbkugel für uns die Devise, obwohl es ein wenig frisch und windig ist für uneingeschränktes Grillvergnügen.

Weihnachtskaffeetrinken

Weihnachtskaffeetrinken

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BBQ for Xmas

BBQ for Xmas

deutscher Weihnachtstraum

deutscher Weihnachtstraum

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Das Überraschendste aber an Weihnachten in der Ferne ist der Kirchgang. In einer kleinen, freundlichen Kapelle mit Sitzplätzen für ca. 50 Leute empfängt uns ein sehr netter Pfarrer vor der Tür per Wangenkuss – das ist hier Usus. „Laura, que lindo!“. Er hat drei Nonnen im Gepäck, eine davon mit Gitarre bewaffnet und vor dem Beginn werden erst mal die Stücke geübt. Dann bei Beginn trägt der Pfarrer ein Jesuskind (Oberammergau ist stilvoll dagegen) würdevoll vor den Altar. Im Gottesdienst stellt sich dann raus, dass es der Bischof von Santa Cruz und Feuerland höchstpersönlich war, der derzeit auch hier zu Ferien weilt und die Messe liest, da es keinen örtlichen Pfarrer gibt. Er kennt wohl auch seinen argentinischen Papstkollegen ganz gut. Insgesamt ist die Stimmung wesentlich gelöster und freundlicher und nicht ganz so überladen wie es bei uns manchmal in der Kirche der Fall ist. So kommt ein Gemeindemitglied auf uns zu, um uns auf Deutsch in der Messe noch „Fruliger Vaijnagten“ zu wünschen, wie er sich auf seinen Zettel notiert und uns später quer durch die Kirche zubrüllt. Es sind auch Leute aus aller Herren Länder da, die auf ihren Sprachen fröhliche Weihnachten wünschten. Das Friedenszeichen artete in ein Abbusseln der gesamten Kirche aus – so wie die Argentinier halt sind. Nach Schluss wurde dann noch die örtliche Tradition gepflegt, dass Holz-Kind zu küssen samt der Nonne, die es in ihren Armen wiegt. Und beim Rausgehen lernten wir dann noch eine Familie von hier kennen, deren Schwester in Dingolfing wohnt und deren Sohn in Regensburg studiert. Klein scheint die Welt! Kurzum, sehr lustig und fröhlich.

ja, Mama, ich war in der Kirche ;-)

ja, Mama, ich war in der Kirche 😉

Mount Fitz Roy über der Weihnachtskirche

Mount Fitz Roy über der Weihnachtskirche

El Chaltén in der Weihnachtsnacht

El Chaltén in der Weihnachtsnacht

Den ersten Feiertag genießen wir entspannt mit Pancakes und einem kleinen Spaziergang im Ort. Unterwegs treffen wir auch den Bischof wieder. Wer kann schon von sich behaupten, dass er auf offener Straße vom Bischof vom Feuerland erkannt und geküsst wird? Laura kann wegen ihres Fußes leider immer noch nicht wandern, so dass ich am zweiten Weihnachtstag alleine aufbrechen muss zur ersten Tour auf den Loma del Pliegue Tumbado – einem hübschen Aussichtspunkt über den Lago Viedma, einige Gletscher und natürlich die phänomenalen Spitzen des Fitz Roy. Danach wird das Wetter leider wieder unbeständiger, so dass wir noch einige Tage im Hostel abhängen und die weitere Route planen, Fotos sichten und uns um unseren näher rückenden Berufsstart kümmern.

Dann endlich verziehen sich Regen und Wolken wieder, so dass wir mit Lauras fast genesenen Füßen zu zwei weiteren Wanderungen aufbrechen. Die erste führt uns zur Laguna Torre, wo uns leider die düsteren und hartnäckigen Wolken die Sicht auf die Spitze verwehren. Dennoch ist der darunter vorkriechende Gletscher beeindruckend. Den letzten und sonnigsten Tag heben wir uns für das Highlight des Wandergebiets auf. Die „Laguna de los Tres“ liegt direkt unterhalb des hoch aufragenden Mount Fitz Roy und in ihr spiegeln sich die Granittürme auf beeindruckende Weise. Leider ist die Spitze nicht ganz frei, dennoch ist der Blick nach dem grausamen Schlussanstieg mit Blick über das Tal, die Berge und den Lago Viedma bis fast nach Calafate einmalig.

Lust zu schwimmen?

Lust zu schwimmen?

fast frei, Fitz Roy!

fast frei, Fitz Roy!

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El Chaltén

El Chaltén

Wasserflasche vergessen

Wasserflasche vergessen

am Ziel

am Ziel

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Um zurück ins Seengebiet zu kommen, hatten wir eigentlich geplant das Navimag-Boot von Puerto Natales nach Puerto Montt zu nehmen, aber inzwischen sind alle Kabinen ausgebucht – selbst die Luxuskabine für 1050 US-Dollar! Den Horror-34-Stundenbus wollen wir uns nicht noch einmal antun und so buchen wir Flüge von Punta Arenas nach Puerto Montt zu fast dem gleichen Preis wie der Bus! Allerdings am Neujahrsmorgen um sechs Uhr früh … Ahrg! Um keine böse Überraschung zu erleben, beschließen wir die Busse nach Chile schon jetzt klar zu machen und buchen den ersten Bus nach Calafate problemlos. Allerdings scheint es für den Bus von Calafate nach Puerto Natales unmöglich, ihn per Internet oder hier in El Chaltén zu buchen. Schließlich finden wir Chalten-Travel, die uns erklären alle Busse nach Chile seien bis zum 6. Januar (!) ausgebucht… Hoffentlich ein schlechter Scherz denken wir, aber nein. Die Frau gibt uns noch die Telefonnummern von anderen Firmen. Wir beschließen, es noch einmal am Terminal zu probieren und tadaa! Die andere Filiale von Chaltentravel ruft einfach an und wir haben zwei Busplätze am Silvesterabend. Puh…!

So erreichen wir Punta Arenas und ein nettes Hostel, in dem wir mit anderen Reisenden und der liebevollen Herbergsfamilie das neue Jahr feiern. Oder auch nur feiern wollen, denn nach dem Anruf in good old Europe zur humanen Zeit und einem schweren Raclette mit ebenso schwerem Rotwein, übermannt uns die Müdigkeit und wir verabschieden uns noch vor Mitternacht in die Kojen. Die Aussicht, um 4:15 auch schon wieder ein Taxi zum Flughafen zu besteigen, trägt ebenso zur Entscheidung bei. So wachen wir noch kurz von den hier doch sehr spärlichen Knallern auf und schlafen ein paar Stunden. Der Flug ist ohne die befürchteten patagonischen Winde sehr ruhig und ich erwache nach anfänglich großartigen Blicken über die schneebeschneiten Bergspitzen und Fjorde entlang der Carretera Austral erst wieder von der sanften Landung in Puerto Montt. Ein kurzer Bustransfer bringt uns zurück nach Puerto Varas, zu unseren Rädern und zur Vorfreude auf Teil 2 der Radrunde durchs Seengebiet. Im Gegensatz zur Abreise drei Wochen vorher knallt jetzt die Sonne herunter und es ist schon frühmorgens sommerlich warm. Was für ein Gegensatz zu den letzten Wochen im „hochsommerlichen“ Patagonien!

Mhm ... angebrannter Raclettekäse!

Mhm … angebrannter Raclettekäse!

Silvester !!!

Silvester !!!

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